In der Welt des Verkehrs taucht immer wieder ein ganz bestimmtes Rätsel auf: Schrittgeschwindigkeit. In vielen Ländern, insbesondere in Deutschland, existiert keine konkrete, rechtlich verbindliche Definition dieses Begriffs in der Straßenverkehrsordnung (StVO), obwohl er mehrmals verwendet wird. Diese Unbestimmtheit führt nicht selten zu Auseinandersetzungen und Unklarheiten sowohl für die Verkehrsteilnehmenden als auch im rechtlichen Kontext. Denn das von Gerichten anerkannte Tempo variiert zwischen fünf und 15 Kilometern pro Stunde (km/h).
Schrittgeschwindigkeit nicht immer klar
Besondere Relevanz erhält die Vorgabe der Schrittgeschwindigkeit in spezifischen Situationen und Bereichen. Hierzu zählen unter anderem verkehrsberuhigte Bereiche, umgangssprachlich oft als „Spielstraßen“ bezeichnet, sowie Situationen, in denen Schul- oder Linienbusse mit eingeschaltetem Warnblinklicht an Haltestellen stehen. Auch in bestimmten Verkehrssituationen, wie dem innerstädtischen Abbiegen schwerer Fahrzeuge, wird sie zur Pflicht, um die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer zu gewährleisten.
Das Fehlen einer exakten Geschwindigkeit in den rechtlichen Vorgaben führt dazu, dass auch das Strafmaß bei Überschreitungen oftmals Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen ist. Bußgelder und weitere Strafen sind zwar prinzipiell vorgesehen. Doch ohne eine klare, gesetzliche Definition des zulässigen Tempos gestaltet sich die Durchsetzung entsprechender Sanktionen oftmals als problematisch.
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Strafen können variieren
Ein Paradebeispiel für die Schwierigkeiten, die sich aus der ungeklärten Definition der richtigen Geschwindigkeit ergeben, stellt ein Fall dar, der bis zum Oberlandesgericht Hamm getragen wurde. Ein Autofahrer, der mit 38 km/h in einer verkehrsberuhigten Zone geblitzt wurde, war Teil einer juristischen Debatte, die die Abwägung zwischen unterschiedlichen angenommenen Werten der Schrittgeschwindigkeit in den Mittelpunkt stellte.
Im besagten Beispiel urteilte das Gericht letztendlich zugunsten des Fahrers, indem es einen höheren, angenommenen Wert der Schrittgeschwindigkeit (10 km/h) als Berechnungsgrundlage nahm. Die Begründung: Es gibt keine gesetzlich festgelegte Geschwindigkeit für verkehrsberuhigte Zonen. Das Resultat war eine Milderung der Strafe. Anstelle einer Geldbuße von 160 Euro und einem Fahrverbot von einem Monat musste der Fahrer „nur“ 100 Euro zahlen – ohne Fahrverbot.
Diese Uneinheitlichkeit und Flexibilität in den Urteilen wirft nicht nur Fragen nach der Gerechtigkeit auf, sondern unterstreicht auch den dringenden Bedarf nach einer klaren, gesetzlich verankerten Definition der Schrittgeschwindigkeit. Dabei geht es nicht nur um die Sicherstellung von Fairness und Klarheit für die Fahrer, sondern auch um die Erleichterung juristischer Prozesse, in denen bislang viel Zeit und Ressourcen für die Diskussion um diese unklare Regelung aufgewendet werden.
Quelle: OLG Hamm, Beschluss vom 28.11.2019, Az.: 1 RBs 220/19
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