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Anomalie beunruhigt Forscher: Kein bekanntes Modell kann sie erklären

Der Klimawandel bringt nicht nur schleichende Veränderungen mit sich. Einige von ihnen sind deutlich spürbar.

Blick auf die Erde aus dem Weltall
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Klimawandel: Die Auswirkungen auf Natur und Gesellschaft

Der menschengemachte Klimawandel verändert unsere Welt mit vielfältigen Folgen. Welche Bereiche sind akut betroffen?

Die Wissenschaft ist sich des natürlichen Klimawandels schon seit langem bewusst, erkennbar an den Hinweisen in tiefen, uralten Sedimentschichten unter der Erde. Ebenso unbestreitbar ist der menschliche Einfluss auf diese Veränderungen. Seit dem Start der Industrialisierung wird das Gleichgewicht unserer Atmosphäre zunehmend gestört, was insbesondere in jüngerer Zeit eine Häufung von extremen Wetterereignissen zur Folge hatte.

Klimawandel erschwert Vorhersagen

Mittlerweile befinden sich etliche Klimamodelle in der Anwendung, die zum einen die Erwärmung selbst und zum anderen die Häufigkeit von Extremwetterereignissen vorhersagen sollen. Eine im März 2024 veröffentlichte Studie zeigte schon, dass diese frühen Prognosen jedoch bei weitem nicht so verlässlich sind, wie bislang angenommen. Tatsächlich ist der Klimawandel viel komplexer als gedacht – und neue Erkenntnisse verdeutlichen, was das für uns bedeutet.

Allein im vergangenen Jahr erwärmte sich unsere Atmosphäre um 0,2 Grad Celsius (°C) mehr als es gängige Klimamodelle prognostiziert hatten. Nicht nur für den NASA-Klimatologen Gavin Schmidt schafft das einen beunruhigenden Präzedenzfall. „Es ist demütigend und ein wenig beunruhigend, zuzugeben, dass kein Jahr die Vorhersagefähigkeiten der Klimawissenschaftler mehr verwirrt hat als das Jahr 2023“, schrieb er in einem Artikel für das Fachjournal Nature.

„Die Temperaturanomalie von 2023 kam aus heiterem Himmel und enthüllte eine beispiellose Wissenslücke, vielleicht zum ersten Mal seit etwa 40 Jahren, als Satellitendaten den Modellierern einen unvergleichlichen Echtzeitblick auf das Klimasystem der Erde boten.“

Gavin Schmidt

Sollte sich diese Anomalie bis August nicht stabilisieren, warnt Schmidt, befinde sich die Welt auf unbekanntem Terrain. Das könnte beispielweise bedeuten, dass der Klimawandel die Funktionsweise des Klimasystems der Erde bereits grundlegend verändert hat. Andererseits könnte es bedeuten, „dass statistische Schlussfolgerungen auf der Grundlage vergangener Ereignisse weniger zuverlässig sind, als wir dachten“. Damit wären auch saisonale Prognosen zu Dürren, Niederschlagsmengen und dergleichen weniger zuverlässig.

Klimamodelle auf dem Prüfstand

Es bestehe eine ernstzunehmende Gefahr, dass kurzfristige Klimaschwankungen künftig zu langfristigen Veränderungen führen könnten, warnt auch der Klimawissenschaftler und Energiesystemanalytiker Zeke Hausfather. „Zwischen 1970 und 2008 erwärmte sich die Welt ungefähr linear – um 0,18 °C pro Jahrzehnt“, erklärte er in einer Analyse für Carbon Brief. „In den letzten Jahren ist der Anstieg der globalen Oberflächentemperaturen jedoch über diesen langfristigen Trend hinausgegangen.“

Das aktuelle Wettermodelle angesichts des rasant voranschreitenden Klimawandels an ihre Grenzen stoßen, unterstreicht zudem eine aktuelle Studie der Physiker Mika Rantanen und Ari Laaksonen vom Finnish Meteorological Institute (FMI). Sie nutzten Simulationen aus drei etablierten Klimamodell-Ensembles, die für ihre Zuverlässigkeit bekannt sind:

  • Coupled Model Intercomparison Project 62 (CMIP6)
  • Max-Planck-Institut Grand Ensemble3 (MPI-GE)
  • Community Earth System Model Version 24 (CESM2-LE)

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Physiker vermuten „externe Einflüsse“

„Der September 2023 war der wärmste September weltweit“, so die FMI-Studie, „mit der höchsten Temperaturanomalie eines Monats in einem Jahr seit 1940 im ERA5-Datensatz.“ Der September 2023 habe dabei den bisherigen Monatsrekord aus dem Jahr 2020 mit einer außergewöhnlich großen Marge gebrochen – und zwar um ganze 0,5 °C.

Ranatanen und Laaksonen argumentieren, es sei äußerst unwahrscheinlich, „dass interne Klimaschwankungen allein den ungewöhnlich großen Abstand erklären können, mit dem der Rekord im September gebrochen wurde“. Auch mithilfe ihrer Simulationen konnten sie die Schwankung nicht nachstellen.

Dass keines der sonst zuverlässigen Modell-Ensembles dazu in der Lage war, den Rekord selbst sowie die daraus resultierende Marge zu replizieren, lasse sich also weder das eine noch das andere auf den natürlichen Klimawandel zurückführen. Stattdessen sehen die Physiker „externe Einflüsse wie die Vulkanausbrüche von Raikoke und Hunga Tonga sowie die Beseitigung der Schwefelverschmutzung durch Schiffe“ als mögliche Faktoren, die zu der beobachteten Temperaturanomalie beigetragen haben könnten.

Quellen: Nature; Carbon Brief; „The jump in global temperatures in September 2023 is extremely unlikely due to internal climate variability alone“ (Climate and Atmospheeric Science, 2024)

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