Wanderer und Bergsteiger in den Schweizer Alpen entdecken immer wieder mysteriöse archäologische Funde, die die Wissenschaftler vor Rätsel stellen. Durch das Schmelzen der Gletscher treten Artefakte aus der Eisenzeit, der Römerzeit und dem Mittelalter zutage. Diese verlorenen oder zurückgelassenen Objekte bieten wertvolle Einblicke in vergangene Zivilisationen.
Archäologische Funde im Gletschereis
In der Schweiz, dem gletscherreichsten Land Europas, schreitet der Gletscherrückgang aufgrund steigender Temperaturen schnell voran. In den Jahren 2022 und ’23 hat das Land der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) zufolge zehn Prozent seines gesamten Gletschervolumens verloren. Dabei tauchen einzigartige Artefakte auf, die oft von ihren Finderinnen und Findern als Andenken behalten werden. Im Jahr 1999 gefunden, verbrachte eine hölzerne Staduette beispielsweise fast 20 Jahre an der Wohnzimmerwand eines Bergsteigers, bevor man sie als Eisenzeitrelikt identifiziert konnte.
Archäologinnen und Archäologinnen sammeln und untersuchen diese auftauchenden Artefakte in der Stadt Sitten. Sie liegt im Kanton Wallis im Südwesten der Schweiz. Das Geschichtsmuseum Wallis, auf einem steilen Hügel im Stadtzentrum gelegen, hat seine archäologischen Funde sogar in einer Wanderausstellung gezeigt. In einem separaten Archivgebäude bewahren Forschende Artefakte auf und analysieren sie, viele davon in einem riesigen Gefrierschrank zur Konservierung.
Entdeckungen aus schmelzenden Gletschern bieten Einblicke in die Menschheitsgeschichte und antike Wirtschaften – allerdings nicht ganz problemlos. „Es ist eine der Schwierigkeiten der Gletscherarchäologie, dass wir diese Objekte im Eis und damit außerhalb jedes archäologischen Kontextes finden“, zitierte Business Insider (BI) beispielsweise den Museumskurator Pierre-Yves Nicod. Er war es auch, der 2018 die hölzerne Statuette in die Hände bekam.
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Der Wanderer unter dem Eismeer
Der Mangel an Kontextinformationen wie Strukturen oder anderen Objekten erschwert die Interpretation der Artefakte. Forschende wie Nicod sind daher unsicher über die zahlreichen Holzstöcke, die Wandernde in einem Bergpass fanden. Sie spekulieren, dass sie von den Kelten während der Römerzeit als Markierungen verwendet worden sein könnten.
„Wir gehen zurück, wir gehen zurück, und wir finden immer noch Holz“, so der Kurator. „Das ist wirklich eine laufende Forschung.“
Artefakte wie die Besitztümer eines wohlhabenden Reisenden aus dem 17. Jahrhundert bieten klarere historische Kontexte. Diese Gegenstände, die zusammen mit den Überresten von Maultieren gefunden wurden, lassen vermuten, dass er ein Kaufmann war, der bei einem Gletscherunfall ums Leben kam. Gut erhaltene Artefakte, darunter Münzen aus Norditalien und Waffen aus Deutschland, zeichnen ein Bild einer historischen Wirtschaft, die die Alpen überspannte.
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Die Nadel im Eishaufen
Gletscherarchäolog*innen müssen schnell handeln, um Artefakte zu bewahren, da organische Materialien nach dem Auftauen rasch verderben. Zum Beispiel benötigten Holzstöcke vom Col Collon, die von Pilz befallen waren, sofortige Behandlung in einer sauerstofffreien Kammer. Um die Bergung archäologischer Funde zu unterstützen, entwickelten sie die IceWatcher-App, die Wandernde ermutigt, ihre Funde zu melden und so zur Bewahrung dieser wertvollen historischen Einblicke beizutragen.
„Wir sagen, dass Glazialarchäologie bedeutet, eine Nadel in einem Eisberg zu finden“, zitierte BI den ansässigen Archäologen Romain Andenmatten. „Ich denke, die Bürgerwissenschaft ist eine gute Lösung.“
Quellen: Akademie der Naturwissenschaften Schweiz; Business Insider
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