Seit Jahren schon erleben Elektroautos ein stetiges Auf und Ab. Während sie gegenüber E-Fuels und Wasserstoffantrieben derzeit die sinnvollste Alternative zu Diesel und Benzin darstellen, halten die meisten Kundinnen und Kunden nach wie vor am Verbrenner fest. Grund dafür sind mitunter die hohen Anschaffungskosten für einen Stromer, aber auch die Ladeinfrastruktur, die vielerorts noch immer nicht ausreicht.
Elektroautos: Zu viele Vorteile verschwunden
Selbst in der Bundeshauptstadt, wo die Ampel-Regierung die Pro-E-Politik vorantreibt, scheint das Interesse an elektrisch betriebenen Fahrzeugen geringer zu sein, als man meinen sollte. Die Mobilitätswende habe „die vielleicht wichtigste Industrie in unserem Land in sehr schweres Fahrwasser gebracht“, erklärte Thomas Greitzke, Verkäufer im hauptstädtischen Autohaus Koch, gegenüber der Berliner Zeitung.
Im ersten Halbjahr 2024 habe die Koch Gruppe Automobile AG insgesamt 4.000 Autos verkauft, davon 2.000 Neuwagen. Gerade mal etwa acht Prozent dieser Neuwagen seien Elektroautos gewesen, unter den Gebrauchtwagen habe sich kein einziges befunden. Woran das liegt, scheint für Greitzke klar: Die Vorteile der vergangenen Jahre seien „von einem auf den anderen Tag“ verschwunden.
„Erstens die Umweltprämie und zweitens die steuerliche Günstigerstellung gegenüber Verbrennern im Bereich von Firmenfahrzeugen, das waren die Haupttreiber“, so der 58-Jährige. „Dieser rigide Wechsel von hundert auf null in der Unterstützung hat die Leute sehr stark verunsichert.“ Hinzu kämen Zweifel der Kundinnen und Kunden bezüglich Faktoren wie der Reichweite, der Ladeinfrastruktur und der Entwicklung der Strompreise.
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„Die Menschen brauchen die Gewissheit“
„In rund 40 Prozent aller Gemeinden gibt es keinen einzigen öffentlichen Ladepunkt, in dreiviertel keinen einzigen öffentlichen Schnellladepunkt“, zitierte die Berliner Zeitung einen Sprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur lange viel zu sehr vernachlässigt worden sei, hatte die VDA-Präsidentin Hildegard Müller bereits 2023 angemerkt:
„Die Menschen brauchen die Gewissheit, überall und zu jeder Zeit unkompliziert laden zu können, damit sie auf die E-Mobilität umsteigen. Die Verfügbarkeit ist beim Laden das ausschlaggebende Kriterium für die Kundenzufriedenheit. Dass es in jeder zweiten Gemeinde in Deutschland nicht einen einzigen Ladepunkt gibt, ist ernüchternd und verdeutlicht den politischen Handlungsbedarf.“
VDA-Präsidentin Hildegard Müller
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Fehlinformation als Pro-Verbrenner-Argument
Greitzke könne die Elektromobilität in ihrer aktuellen Form lediglich einen Teil der Bedürfnisse von Fahrerinnen und Fahrern abdecken. Zwar seien Elektroautos für planbare Mobilität gut geeignet, ein Allheilmittel seien sie aber keineswegs. Auch die Umweltbelastung senke man mit einem E-Fahrzeug nicht, meint Greitzke, „solange der Strom, den ich tanke, aus Verbrennungskraftwerken oder anderen nicht nachhaltigen Quellen kommt“.
Wenn der Strom für E-Autos aus fossilen Brennstoffen wie Kohle oder Gas stammt, kann das die Umweltbilanz dieser Fahrzeuge tatsächlich negativ beeinflussen, da die CO2-Emissionen und andere Umweltauswirkungen der Stromerzeugung berücksichtigt werden müssen. In solchen Fällen können die Vorteile von E-Autos hinsichtlich der Reduktion von Treibhausgasen und Luftverschmutzung geringer ausfallen.
Jedoch sind Elektromotoren generell effizienter als Verbrennungsmotoren, was bedeutet, dass Elektroautos selbst bei Nutzung von Strom aus fossilen Quellen oft weniger CO2 pro Kilometer ausstoßen als herkömmliche Fahrzeuge. Der tatsächliche ökologische Nutzen von E-Autos steigt erheblich, wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind, Sonne oder Wasser stammt. Greitzkes Argument ist keine Seltenheit, wird allerdings immer wieder im Rahmen etwaiger Faktenchecks, etwa hier vom Climate Portal des Massachusetts Institute of Technology (MIT) oder hier von Carbon Brief, widerlegt.
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Der trügerische „Königsweg“
„Das nachhaltigste Auto ist das, was man nicht baut“, bemerkte der Autohändler richtig. „Wir haben in Deutschland momentan ungefähr 49 Millionen Autos, die meisten davon sind Verbrenner.“ Viel besser sei es daher, wenn man die bisherigen Fahrzeuge „mit emissionsarmen oder emissionsfreien Kraftstoffen weiter nutzen könnte“. Auch das ist nicht falsch, nach aktuellem Stand der Technik jedoch unrealistisch.
Zwar meint Greitzke, E-Fuels seien der „Königsweg“, allerdings betonte die Berliner Zeitung mit Bezug auf Stefan Reindl, Chef des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) mitunter den geringen Wirkungsgrad der synthetischen Kraftstoffe. Langfristig könnten sich diese nicht gegen Elektroautos durchsetzen, so Reindl.
Zur Verbildlichung: „Um alle deutschen Autos mit E-Fuels zu betanken, bräuchte man für deren Herstellung deutlich mehr Strom als derzeit in Deutschland insgesamt verbraucht wird.“ Das erklärte der Ingenieurwissenschaftler und Energieexperte Volker Quaschning schon Anfang 2023. Auch der bekannte Physiker, Wissenschaftsjournalist und Naturphilosoph Harald Lesch sagt, die „Diskussion in der politischen Arena ist eigentlich eine Scheindebatte, wenn es um E-Fuels geht„.
Der Bundesregierung würde Greitzke beim Thema Elektromobilität „die schlechteste Note geben, die es gibt“. Für ihn sei das Fazit klar: „Ganz, ganz schlechte Leistung.“
Quelle: Berliner Zeitung; Verband der Automobilindustrie
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