Was vor einigen Jahren noch Fiktion war, steht heute in vielen Wohnzimmern: Sprachassistenten. Während vor allem Siri damals mit dem iPhone 4s die Leute zum Staunen brachte, sind es heute die intelligenten Assistenten von Amazon und Google, die zu den besten ihrer Klasse gehören.
Aufgrund des vergleichsweise geschlossenen Systems von Apple ist die Integration von Assistenten abseits von Siri nur recht schwer zu verwirklichen. Vor allem der Zugriff auf Systemfunktionen, Einstellungen oder die einfache Steuerung von Apps ist nur mit viel Mühe zu bewerkstelligen. Da selbst Siri oft für ihren mageren Umfang aufgrund fehlender APIs kritisiert wird, hat die Konkurrenz es auf iOS nicht leichter. Trotzdem hat auch Google seinen Assistenten für iOS gebracht und versucht, ihn so nahtlos wie möglich zu integrieren.
Google-Assistent
Googles iOS-Ableger seines Sprachassistent wurde erst zur diesjährigen Google I/O veröffentlicht. Während die App zu Beginn nur für US-Nutzer verfügbar war, hat der langsame Rollout mittlerweile auch Europa erreicht. Die deutschsprachige Variante lässt sich beispielsweise über einen deutschen Account problemlos herunterladen. Die knapp 140 Megabyte große App kommt mit den bekannten vier Punkten im Icon, die unter anderem bei Google Home vorzufinden sind.
Gleich zum Start wird erstmal eine Anmeldung fällig. Ohne Google Account lässt sich der Assistent nämlich nicht betreiben. Da in Teilen der iOS-Community deutliches Misstrauen gegenüber Google vorherrscht, mag schon das ein Umstand sein, der für viele ein rotes Tuch ist.
In einer typischen Übersicht, wie man sie von Android-Apps gewohnt ist, listet der Assistent dann auf, welche Daten vom Gerät des Nutzers abgerufen werden können bzw. müssen, um eine optimale Funktionsweise zu ermöglichen. Dazu zählen Kontakt- und Kalenderdaten genauso wie Akkustand, Sensorwerte und Web-Verläufe des Gerätes. Außerdem wird noch darauf verwiesen, dass alles gesagte inklusive Stimme aufgezeichnet wird, um die Spracherkennung laufend zu verbessern. Zwar bietet die App hier auch die Auswahlmöglichkeit „Nein, danke“ an, die Nutzung ist dann aber verständlicherweise nicht möglich.
„Was kannst du für mich tun“
Nachdem die Anmeldung erledigt ist, stellt sich unser neuer Assistent das erste Mal vor. Die App selbst ist einfach aufgebaut und erinnert an einen Messenger. Abwechselnd in weißen und grauen Sprechblasen schreibt Google Assistant seine Antworten oder stellt die Fragen seiner Nutzer dar. Die primäre Frage an Googles künstlichen Butler lautet selbstverständlich: „Was kannst du für mich tun?“.
Die Liste der Dinge, die der iOS-Ableger beherrscht, ist dabei überraschend umfangreich. Neben einfachen Aufgaben wie Timer stellen oder Erinnerungen anlegen, können auch Anrufe und Nachrichten abgesetzt werden. Auch Navigieren, das Aufrufen von Apps und das Abspielen von Musik ist möglich. Mit den Informationen von Google im Hintergrund lassen sich zudem Fragen quer über alle Bereiche des Lebens beantworten. Wer Übersetzungen braucht, bekommt je nach Sprache die Antwort sogar vorgelesen.
Interessant wird Google Assistant vor allem, wenn man den iOS-Ableger mit Siri vergleicht. Die erste, eigentlich recht einfache Frage, bringt mich gleich etwas zum Schmunzeln. Während Siri der Bitte um Aktivierung des Weckers anstandslos und ohne Probleme nachkommt, kommt von Google Assistant die Antwort „Ich kann auf iPhones keine Wecker stellen“. Das ist vor allem deswegen erheiternd, weil der Wecker von Google als allererste Funktion genannt wird. Beim Klassiker Wetter kann aber auch Google erstmals servieren.
Sowohl Siri als Google liefern das passende Wetter. Auch Anrufe werden gerne via Sprachassistent erledigt. Sofern man die eigens abgefragte Berechtigung für Kontakte erteilt hat, kann Google Assistant Anrufe tätigen. Hier kommen aber erstmals die Einschränkungen von iOS zum Vorschein. Während Siri sofort mit dem Wählen beginnt, muss die Bitte an Google aufgrund der Sicherheitsbestimmungen von iOS noch einmal per Tippen bestätigt werden.
Alleswisser
Das Setzen von Erinnerungen funktioniert dafür auch ohne zutun. Nennt man Titel und den gewünschten Zeitpunkt, übernimmt Google Assistant alle Infos und lässt sich per zusätzlichem „Ja“ den Eintrag bestätigen. Zwar bedarf es bei Siri keiner zusätzlichen Antwort, ein falscher Eintrag kann dann aber nur über Umwege korrigiert werden.
Fluch und Segen zugleich ist die Integration von Apps bei Google. Über ein Einfaches „Öffne App XY“ können theoretisch sämtliche auf dem System befindliche Apps geöffnet werden. In der Praxis muss Google die App aber einspeisen, damit Google Assistant nach eigenen Aussagen „weiß, wie die App geöffnet werden kann“. Umso beeindruckender ist dafür die Integration von Streamingdiensten.
Obwohl noch nicht alle großen Streamer von Google integriert wurden, hat Siri in dieser Kategorie nicht einmal ansatzweise eine Chance. Bitte man Google Assistant, eine bestimmte Band abzuspielen, bekommt man die Möglichkeit, den gewünschten Streamingdienst per Tippen auszuwählen. Sagt man aber „spiele Band XY auf Spotify“, öffnet sich ohne Umschweife Spotify auf der Übersichtseite der gewünschten Band.
Zwar muss die Zufallswiedergabe noch händisch gestartet werden. Siri schafft es dank fehlender APIs aber nicht einmal in die App. Konfrontiert man die iOS-Assistentin mit demselben Satz, winkt diese sofort ab. Lediglich das hauseigene Apple Music kann auch per Siri genutzt werden.
Aber nicht nur in Sachen Musik bleibt Siri auf der Strecke. Geht es um Wissensfragen, ist Google ganz weit voraus. Die Frage „wer ist Bundespräsident in Österreich“ könnte beispielsweise nicht unterschiedlicher beantwortet werden. Während Google diese Frage sofort korrekt beantwortet, und sogar die im Kontext gestellt Frage „wo ist er geboren“ ohne Probleme beantwortet, liefert Siri ein enttäuschendes Wirrwarr. Meine Frage nach dem Bundespräsidenten wird mit einer Text-Übersicht von Bing-Suchresultaten beantwortet. Wer sich die unübersichtliche Liste dann noch durchliest, findet nur mit viel Mühe die richtige Antwort.
Stimmqualität
Auch an anderer Stelle muss Apples Sprachassistent Federn lassen. Während bei Google die Nachrichtenquellen zum Vorlesen manuell selektiert werden können, schafft es Siri nicht einmal zu verstehen, was genau verlangt wird. Während Siri meistens SMS vorlesen will und News gar nicht findet, liefert Google z.B. Top-Schlagzeilen. Zwar werden diese (noch) nicht vorgelesen, Siri enttäuscht hier aber auf ganzer Länge.
In Sachen Stimmqualität und Aussprachen bewegen sich die beiden Konkurrenten auf ähnlichem Niveau. Während die Stimme von Google etwas freundlicher, weil menschlicher klingt, hat Siri bei Aussprache und Reinheit der Stimme die Nase vorne. Wohl auch aufgrund der App-Größe muss Google hier wohl Zugeständnisse machen, um die Speicher seiner Nutzer nicht unnötig zu überlasten. Ebenfalls einen Vorteil hat Siri bei der Integration.
Der Abruf über den Home-Button oder via „Hey Siri“ lässt sich kaum schneller bewerkstelligen. Google Assistant bleiben aufgrund der Systemeinschränkungen nur wenige Möglichkeiten. Während in der App via Knopfdruck gesprochen oder über die Tastatur mit dem Assistenten kommuniziert werden kann, gibt es nur eine kleine Abkürzung. Via Widget kann im Notification Center der Assistent geöffnet werden, schneller ist das aber keineswegs. Im Test passierte es mir außerdem öfters, dass ich automatisch den Home-Button gedrückt und Siri aktiviert habe, obwohl ich eigentlich mit Google sprechen wollte. Aufgrund der Eingrenzungen von iOS sind Google in Sachen Integration aber die Hände gebunden.
Fazit
Googles Sprachassistent für iOS macht vieles richtig. Während die Integration auch weiterhin ein Problem sein wird, macht der Assistent Spaß und leistet an vielen Stellen auch die gewünschte Hilfe. Musik, Nachrichten, Übersetzungen oder Wissensfragen gehören zu den Bereichen, in jenen Google Assistant die bessere Siri ist. Sollte Google weiter fleißig Dienste in seine App integrieren, werden in Zukunft wohl mehr iOS-Nutzer diese als echte Alternative in Betracht ziehen.
Google Assistant für iOS kostenlos verfügbar. Momentan muss noch der Umweg über den deutschen Appstore genommen werden.
Dieser Artikel erschien zuerst auf futurezone.at.