Die vergangene Woche verbrachte ich in Seattle auf Microsofts Entwicklerkonferenz Build. Zum Abschluss lud der US-Konzern eine Gruppe von internationalen Journalisten, der ich ebenfalls angehörte, zu einer Campus-Tour ins Microsoft-Headquarter im nahe gelegenen Redmond. Auf dem Programm standen typische Tagesordnungspunkte wie Meetings mit Microsoft-Vertretern, die Besichtigung von Mitarbeiterrestaurants oder ein Abstecher ins Visitor Center inklusive Merchandise-Shop. Doch eine Station auf dem Campus hielt etwas wirklich Außergewöhnliches bereit, das man so schnell vermutlich nicht noch einmal erleben kann.
Im Building 87, Microsoft-Mitarbeiter nennen es scherzhaft auch “Area 51”, befinden sich Microsofts top-geheime Labore, in denen an neuen Hardware-Produktentwicklungen gearbeitet wird. Nur wenige auserwählte Mitarbeiter haben Zutritt, die Sicherheitsvorkehrungen sind hier ganz besonders streng und selbstverständlich herrscht striktes Kameraverbot. In diesem Gebäudekomplex wurden Geräte wie der Surface Laptop oder die Xbox One S designt und ihre Prototypen erstellt. Das klingt schon alles ziemlich spannend, doch im Building 87 verbirgt sich ein noch größeres Highlight – eines, mit dem es Microsoft sogar ins Guinness Buch der Rekorde geschafft hat: Das Audio Lab. Es ist der erwiesenermaßen stillste Ort der Welt.
Lautstärke: Minus 20,3 Dezibel
Die speziell abgedichtete Kammer wurde als Raum im Raum gebaut – ähnlich einer Matroschka. Um zu verhindern, dass störende Geräusche oder Vibrationen von Maschinen aus dem restlichen Gebäude sich übertragen, habe man sogar das Fundament durchtrennt, auf dem der Raum errichtet wurde, erzählen uns Microsoft-Mitarbeiter. Das Audio Lab hat auch keinen echten Boden, sondern man steht auf einem gespannten Metallnetz, ähnlich einem Trampolin. Darunter befinden sich Luft und wie nach allen anderen Richtungen hin dicke Schaumstoffkeile und -Polster, die die Wände des Raumes abdichten.
Die ausgeklügelte Konstruktion ermöglicht es, dass der Raum auf eine Lautstärke von unglaublichen minus 20,3 Dezibel kommt. Der vorherige Rekord lag bei minus 13 Dezibel. Das Minus bedeutet, dass es unterhalb des für den Menschen hörbaren Bereichs liegt. Und die minus 20,3 Dezibel, die hier in Microsofts Audio Lab erzielt werden, sind tatsächlich nah dran an dem, was überhaupt auf der Erde möglich ist: Das wären nämlich minus 23 Dezibel, das Geräusch, das Luftmoleküle erzeugen, wenn sie aneinander stoßen.
Nach kurzer Zeit wird einem schwindelig
Erfahrungsberichte besagen, dass es in dem schalltoten Raum so still ist, dass es für viele Menschen beängstigend und beklemmend sein kann. Es heißt, dass es wenigen gelinge, länger als einige Minuten in der absoluten Stille auszuhalten. Eine Zeit lang war die Rede von einem Rekord von 45 Minuten – durchforstet man ein wenig das Internet, findet man jedoch Berichte von Testpersonen, die es auch deutlich länger aushielten.
In jedem Fall ist es eine außergewöhnliche Erfahrung in diesem Raum zu stehen. Wird auch noch das Licht ausgeschaltet, bekommt man nach kurzer Zeit fast ein wenig das Gefühl von Schwindel. Es ist so still, dass man das eigene Blut rauschen hört, man kann seinen Herzschlag hören und jedes kleine Glucksen im Körper rückt plötzlich ganz stark in den Fokus.
Raum wird für Tests verwendet
Auch Stimmen klingen in dem schalltoten Raum anders als draußen. Um zu demonstrieren, wie sich die Geräusche im Gegensatz zur natürlichen Umgebung verändern, kann man während die massive Tresortür geschlossen wird, klatschen und merkt, wie der Ton immer stumpfer wird. Spricht man in dem Raum, bekommt man das Gefühl, die Worte würden direkt aus dem Mund zu Boden purzeln und gewissermaßen verschluckt.
Microsoft nutzt das Audio Lab, um geräuschsensitive Produkte und Software zu testen: Skype, Cortana, etc., aber auch Mikrofone und Lautsprecher von Geräten wie dem Surface Laptop. Auch für Hololens hat man hier getestet.
Um diese Erfahrung der absoluten Stille zu übertreffen, müsste ich als nächstes wohl ins Weltall reisen. Denn nur dort ist es dann noch leiser als in Microsofts verstecktem Sound-Labor. Also, liebe Leserinnen und Leser, stay tuned: Wer weiß, was mir als nächstes einfällt.