Die Digital Media Women, kurz #DMW, engagieren sich seit Jahren für mehr Sichtbarkeit von Frauen – im Job, aber auch in der Öffentlichkeit. Hundert aktive Ehrenamtliche arbeiten deutschlandweit in bisher sieben Quartieren an der Seite von mehr als 15.000 Mitgliedern. Das gemeinsame Ziel ist es, den digitalen Wandel als Chance zu nutzen für mehr Gleichberechtigung von Frauen.
futurezone: Wenn man eine eurer Veranstaltungen besucht und den #DMW beitreten möchte, wie genau läuft dieser Prozess dann ab?
Beate Mader: Also prinzipiell sind wir erst einmal offen für Jede und Jeden. Um an unseren Veranstaltungen teilzunehmen oder Teil unserer Community oder unseren Facebook-Gruppen zu werden, musst du kein Mitglied bei den Digital Media Women sein. Wir sind ein eingetragener Verein, also gemeinnützig, und du kannst Fördermitglied werden. Das bedeutet, du zahlst mindestens 48 Euro im Jahr – du kannst auch mehr zahlen, da freuen wir uns immer – und unterstützt damit unsere Sache und investierst gleichzeitig Geld in die #DMW, damit wir als Verein agieren können.
Es gibt auch die Möglichkeit für Unternehmen, mit uns denselben Weg zu gehen, wenn sie unsere Idee gut finden und uns unterstützen wollen. Das ist dann auch kein Sponsoring, sondern eine echte Firmenfördermitgliedschaft.
Geht ihr in diese Unternehmen und veranstaltet Schulungen oder gibt es generell Anfragen von Unternehmensseite, eure Expertise in Anspruch nehmen zu dürfen?
Wenn eine Firma Fördermitglied ist, können wir auch gemeinsame Konzepte entwickeln. Daraus kann alles Mögliche entstehen, je nachdem, was das Unternehmen will. Eine Firma möchte vielleicht, dass die Frauen in der Tech-Abteilung etwas mehr Austausch bekommen, eine andere möchte selbst sichtbarer werden, um Frauen zu zeigen, dass es dort attraktive Arbeitsplätze gibt. Manche möchten ihre Angestellten wiederum in unsere Academy schicken und können zusätzlich noch Speaker zu einem interessanten Thema stellen. Es ist immer ein Geben und Nehmen.
Wird von den Mitgliedern aktives Engagement verlangt oder ist es auch in Ordnung, „stummes“ Mitglied zu sein?
Stummes Mitglied hört sich so nichtssagend an. Unsere Community betreibt einen sehr regen Austausch, on- und offline. War ich zum Beispiel beim Meetup, bei einem Themenabend oder der Academy und mir gefallen die Menschen in der Gemeinschaft bei mir vor Ort, dann kann ich ebenso den nächsten Schritt gehen, zum Beispiel als Fördermitglied. Dabei unterstütze ich die #DMW, indem ich das Geld zahle. Und es liegt letztlich an mir, was ich weiter daraus mache.
Oder ich engagiere mich aktiv vor Ort: Es gibt verschiedene Modelle, immer in Abhängigkeit der Stadt. Die einen treten beispielsweise der Twitter-Gruppe bei und twittern alle paar Wochen etwas. Die anderen übernehmen das Community-Management der Gruppe und wieder andere helfen bei Meetups aus, indem sie Flyer verteilen, das Equipment mitbringen, aufbauen und wieder abholen.
Besteht unter den Frauennetzwerken, die existieren, eine Art Konkurrenz? Kennt man sich überhaupt?
#DMW sind sehr auf Kooperationen ausgerichtet. Für uns ist klar: miteinander ist immer einfacher. Wir sehen keine Konkurrenz. Es kann sein, dass uns vielleicht ein anderes Netzwerk als Konkurrenz ansieht, aber in unseren Augen stellt jede Community einen potenziellen Partner dar. Ob wir dann nur bei einer Veranstaltung zusammenarbeiten oder etwas Größeres auf die Beine stellen, hängt natürlich vom jeweiligen Netzwerk ab. Man kennt sich, man trifft sich, aber ich würde nicht sagen, dass wir Konkurrenten haben. Wir haben Menschen, die mit uns mitgehen und uns unterstützen.
Gibt es eigentlich auch Männer, die auf euch zukommen?
Natürlich. Das ist, glaube ich, auch das, was uns von einigen Frauennetzwerken unterscheidet. Wir sind sehr offen und immer dafür und nicht dagegen. Wir haben tatsächlich sehr viele Männer als Fördermitglieder. Wir leben ja Diversity, deshalb achten wir auch darauf, dass es nicht immer nur reine Frauen-Panels gibt. So nehmen wir zum Beispiel bei Frauenthemen Männer auf in die Runde, um deren Perspektive zu hören. Ob ein Mann jetzt ein Organisationsmitglied werden kann, diskutieren wir allerdings noch.
Warum muss das diskutiert werden?
Frauen, die viel in männerdominierten Bereichen unterwegs sind, stehen dem skeptisch gegenüber, weil sie befürchten, ein Mann könnte das Ruder an sich reißen. Andere Frauen kommen in der Gemeinschaft nicht mehr so aus sich heraus, wie sie es sonst in unserer geschützten Gruppe tun würden. Da müssen zwei Seiten abgewogen werden.
Momentan haben wir Männer mit auf dem Podium, wir haben männliche Fördermitglieder und es gibt sogar Männer bei uns, die sich unter einer gewissen Frauenquote gar nicht mehr auf die Bühne begeben.
Die generelle Diskussion, die in den letzten zwei Jahren im Netz, aber auch offline gelebt worden ist, hat zumindest ein Umdenken angestoßen. Das Thema ist noch nicht beendet, aber es wird viel bewusster in den Köpfen. Wenn wir an dem Punkt sind, dass es keine Headline mehr ist, dass auf der re:publica 47% Frauen auf der Bühne stehen, dann sind wir da, wo wir hinwollen.
Und was dann? Wenn wir an einem solchen Punkt angekommen sind, wird dann ein Verein wie #DMW nicht obsolet?
Das werden wir sehen, wenn wir da sind (lacht).
Glaubst du, dass die Thematik auch in der Politik irgendwann so angekommen ist, dass gleiche Bedingungen herrschen?
In meiner persönlichen Meinung muss die Politik da einfach noch mehr gleiche Startchancen bieten. Ich arbeite jetzt seit zwölf Jahren selbständig und da hat sich schon extrem viel getan. In der ganzen Unterstützung, der Kommunikation und den Möglichkeiten. Da bist du beispielsweise nicht mehr die Exotin, wenn du als Frau selbständig bist.
Die #DMW machen im politischen Zusammenhang in Berlin zurzeit einen Parteiencheck. Was genau passiert da?
Wir haben in Berlin einen Fragenkatalog entwickelt, der zu unserer Philosophie passt und sich dementsprechend mit Diversity, Gleichberechtigung und Digitalisierung beschäftigt. Dann wurde das Gespräch mit allen Parteien gesucht und die Digital Media Women wurden auch von fast allen eingeladen.
Sprecht ihr auch mit der AfD?
Nein, wir sprechen ausschließlich mit Parteien, die die Notwendigkeit von Vielfalt und Geschlechtergerechtigkeit für unsere Gesellschaft erkannt haben. Mit dem Frauen- bzw. Familienbild der AfD können wir uns nicht identifizieren. Unseren Kickoff hatten wir Ende April mit der SPD, die sich sehr gut geschlagen haben. Am 17. Mai sprechen wir mit der CDU, dann Ende Mai und Ende Juni mit den Linken und den Grünen. Mit der FDP hätten wir ebenfalls gerne gesprochen, der Abend wurde aber leider aufgrund einer Terminkollision wieder abgesagt.
Ich finde es einfach sehr wichtig, dass wir das Gespräch suchen und das überregional mittragen. Über unsere Fanpage wird alles live gestreamt, man kann sich die Videos aber auch im Nachhinein anschauen. Dabei kann ich dann die Themen mitverfolgen, die mich als Frau interessieren und die meinen beruflichen und Lebensweg aktuell mitbestimmen.
Wenn ich in ein Gespräch gehe, rege ich darüber hinaus die Politiker auch zum Nachdenken an, ob vielleicht noch etwas getan werden muss.
Ist denn auch in den Köpfen der Frauen genug passiert? Auf einer Veranstaltung der re:publica wurde thematisiert, dass Frauen zum Teil immer noch ein Minderwertigkeitsgefühl gegenüber Männern mit sich tragen.
So etwas wird meines Erachtens bereits in der Schule angelegt. Als Mädchen war ich zwei Jahre lang in einer reinen Jungenklasse und habe mir niemals Gedanken darüber gemacht, dass ich das Mädchen bin und die anderen Jungen. Ich bin Klassensprecherin gewesen. Auch später im Job habe ich mir nie groß Gedanken gemacht, dass ich als Frau benachteiligt werde. Es gab irgendwann einen Business-Club, in dem ich Vorstandsmitglied war, da habe ich dann gemerkt, es ist ein reiner Jungs-Club und ich war nur die Namensschilderverteilerin. Da ist mir das Problem bewusst geworden.
Ich glaube aber, dass Frauen heute anders gefördert werden, schon in der Schule, durch Tech-Initiativen und Aktionen wie den Girl’s Day. Man achtet ja vielmehr darauf, dass die Mädchen etwas in diese Richtung hin tun.
Ich kann mich noch an meine Berufsberatung erinnern. Ich wollte unbedingt was Handwerkliches machen, Schreinern oder so. Der Berufsberater hat gesagt, er hätte noch nie einen Schreiner gesehen, der noch alle zehn Finger hat. Da wirst du als Mädchen dann einfach aussteigen.
Heute passiert das nicht, da sagt man „Mach das, das ist toll, du hast Chancen.“ Es ist schon viel passiert, aber es ist noch Luft nach oben.
Beate, vielen Dank für das Gespräch!