Von Mittwoch bis Freitag findet mit dem GEN Summit eine der wichtigsten Medienkonferenzen in Wien statt. Mehr als 750 Journalisten aus aller Welt versammeln sich in der Aula der Wissenschaften, um über die Zukunft der Medien zu diskutieren. Doch dieses Jahr könnte es sich ebenso gut um eine Technologie-Konferenz handeln: Auf dem Programm stehen Themen wie Virtuelle Realität, Künstliche Intelligenz und Chatbots.
Automatische Meldungen am Vormarsch
Journalismus wird nicht nur mehr digital publiziert, sondern zunehmend von Algorithmen erstellt. Einer der Vorreiter des sogenannten Roboter-Journalismus ist die Nachrichtenagentur Associated Press (AP). Mithilfe von Algorithmen werden bereits seit einigen Jahren automatisch Meldungen über Geschäftsergebnisse, Wettervorhersagen und Sportergebnisse verfasst.
Die Idee dazu kam einem Finanzjournalisten der AP, der sich darüber beklagte, dass das Verfassen dieser Meldungen immer nach dem gleichen Schema erfolgt. Mittlerweile werden Meldungen zu den Finanzberichten von mehr als 4000 Unternehmen mit dieser Methode erstellt – mehr als je zuvor.
(Noch) nicht fehlerfrei
Das hatte auch Auswirkungen auf die Börsen. Die AP stellte fest, dass durch die verstärkte Berichterstattung die erwähnten Unternehmen deutlich stärker gehandelt wurden. Doch obwohl sie vorerst nur für einfache Aufgaben eingesetzt werden, unterlaufen den Robotern auch Fehler.
Die LA Times berichtete zuletzt über ein Erdbeben der Stärke 6,8 in Los Angeles, das es aber nie gab. Auslöser war ein Fehler eines Forschers, der Daten zu einem Erdbeben aus dem Jahr 1925 korrigieren wollte.
Kein Ende des Journalismus in Sicht
„Es werden viele Stellen abgebaut und da ist es verständlich, dass Panik ausbricht, wenn über Roboter-Journalismus und Automatisierung gesprochen wird“, erklärt El-Pais-Redakteur David Alandete. Dass Maschinen schon bald Journalisten ersetzen könnten, befürchtet er jedoch nicht.
„Wir haben noch keine künstliche Intelligenz entwickelt, die komplett fehlerlos arbeitet.“ Als Beispiel nennt er Software, die Videos in Echtzeit transkribiert und in andere Sprachen übersetzt. Die Übersetzungen sind zwar schnell erzeugt, enthalten aber oft kleine Fehler, die von Menschen korrigiert werden müssen.
Die Angst, dass den Maschinen schwerwiegende Fehler unterlaufen könnten, herrscht auch unter Journalisten vor. Doch Tony Emerson, Managing Director für den Bereich „Media and Cable“ bei Microsoft, versucht zu beruhigen. „Künstliche Intelligenz kann mittlerweile Sprache mit rund 90 Prozent Genauigkeit übersetzen.“
Diese Fehlerquote sei mit jener von Menschen gleichzusetzen, denn auch diese können hin und wieder etwas falsch verstehen. Zudem verbessert sich die Technologie laufend. Je mehr Daten sie erhält, desto besser wird sie.
Machine Learning ist keine Revolution
Für Emerson ist Machine Learning keine Revolution: „Geheimdienste verwenden diese Technologien bereits seit Jahren, wir machen das derzeit nur nach.“ Als Beispiel demonstrierte er den Video Indexer, der Anfang Mai erstmals auf der Microsoft Build gezeigt wurde. Der Cloud-Dienst kann den Inhalt von Videos erkennen und dank Spracherkennung die gesprochenen Worte transkribieren.
Aber auch die Qualität der Videos kann automatisch verbessert – wackelige Videos werden stabilisiert – oder Gesichter auf Mausklick unkenntlich gemacht werden. Kurioserweise sei die Erkennung von Logos deutlich schwieriger als von Gesichtern – weil sich Logos häufiger verändern. Bekannte Personen kann die Software selbstständig erkennen und blendet automatisch eine Kurzbiografie ein. In der Datenbank befinden sich bereits mehr als 200.000 Personen.
Chatbots als neuer Trend
Die spanische Tageszeitung El Pais will seine Leser zudem dazu bringen, dass sich diese mit einem Computerprogramm unterhalten. El Pais druckte Codes in der Zeitung ab, die mit dem Smartphone gescannt werden können. Hat der Nutzer Facebook Messenger installiert, öffnet sich der El-Pais-Chatbot. Ein Chatbot ist ein Programm, mit dem sich der Nutzer wie mit einem Menschen unterhalten kann. Dieser informiert seine Nutzer unter anderem über aktuelle Nachrichten und das Wetter. Auch futurezone arbeitet an einem ähnlichen Chatbot.
Mehr Ressourcen für investigativen Journalismus
„Es wird immer dieses menschliche Element geben, das nicht vollständig von einem automatisierten System ersetzt werden kann“, erklärt Robert Unsworth, Vice President für Amerika bei der Nachrichten-App News Republic. Das größte Potential sieht er nach wie vor in der Automatisierung scheinbar kleiner und einfacher Aufgaben, die jedoch häufig viele Kosten verursachen. „Das macht Ressourcen für die Journalisten frei, damit sie sich wieder investigativen Journalismus oder neuen Formen, wie VR, widmen können“, sagt Francesco Marconi von der AP.
Auch Alandete plädiert zudem dafür, dass sich Medienorganisationen auf das konzentrieren, was sie am besten können: Journalismus. Für die Technologie setze man vor allem auf Partnerschaften mit großen Konzernen wie Google und Facebook – ein umstrittenes Vorgehen in der Branche, da auch Google und Facebook vorwiegend mit Werbung Geld verdienen. Auch APA-Geschäftsführer Clemens Pig verurteilt dieses Vorgehen: „Wenn man sich zu viel Innovation von außerhalb holt, kann das ein Problem für die Organisation werden.“
Dieser Artikel erschien zuerst auf futurezone.at.