„Die vollkommensten Technologien sind diejenigen, die verschwinden. Sie weben sich in den Stoff des Alltags ein, bis sie von ihm nicht mehr unterscheidbar sind“, notierte Mark Weiser 1991 in seinem richtungsweisenden Text „The Computer for the 21st century“ (Der Computer des 21. Jahrhunderts). Wearables, eng am Körper getragene Technik, kommen der fast drei Jahrzehnte alten Vision des 1999 verstorbenen Informatikers sehr nahe. Technik ist heute in unserem Alltag allgegenwärtig und rückt uns in Form von Fitnessbändern und Smartwatches auch zunehmend zu Leibe.
Vor allem im Fitness- und Gesundheitssektor hat die tragbare Technik bereits den Massenmarkt erreicht. Um das Handgelenk getragene Fitnessbänder, die mit eingebauten Sensoren Vital- und Bewegungsdaten aufzeichnen, sind für viele aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken.
Kleidung als biometrische Plattform
Die in New York lebende gebürtige Österreicherin Sabine Seymour geht mit ihrem Start-up
einen Schritt weiter. Mit Supa mache sie aus Kleidungsstücken Geräte für das Internet der Dinge, erzählt die Unternehmerin. Die Sensorik in der Kleidung sei aber nur ein Teil. Man müsse sich Supa als biometrische digitale Plattform vorstellen, die Anwendungen im Gesundheitsbereich ebenso ermögliche wie im Veranstaltungs- und Nahrungsmittelgeschäft oder im Energiesektor. „Wir entwickeln gemeinsam mit Unternehmen solche Lösungen, die dann an den Endkonsumenten gehen“, erzählt Seymour.
Supa hat im vergangenen Jahr für den Sportartikelhersteller Fila Sportsensoren, die Körper-, Gesundheits- und Bewegungsdaten sammeln, in Kleidung, genaugenommen einen Sport-BH, integriert und bietet dieses Produkt seit Juli auch als Eigenmarke an.
Nike hat Interesse
Die Designerin forscht seit mehr als 20 Jahren auf dem Gebiet der Wearables, seit 2010 hält sie an der New Yorker Parsons School of Design eine Professur für Fashionable Technology. „Es geht um die Integration von Technologie in Textilien, aber auch Accessoires. Technik, die ich am Körper trage und nicht in der Hand halte“, sagt Seymour, die für den Sportartikelhersteller Nike schon vor Jahren ein Konzept für einen Schuh mit Sensoren entwickelt hat.
Ebenfalls in Zusammenarbeit mit einer großen Sportartikelfirma will Seymour bald andere Kleidung, vor allem Unterwasserlösungen, mit integrierten Sensoren anbieten. Auch mit der US-Weltraumbehörde NASA ist die amerikanisch-österreichische Designerin im Gespräch. „Die möchten so viele Infos wie möglich über die Astronauten, am Boden und im Weltall.“
Technik wird günstiger
Die Idee, Sensoren in Kleidungsstücke zu integrieren und nicht am Fitnessband mit sich herumzutragen, ist naheliegend. Warum hat sich das bis jetzt nicht durchgesetzt? In den vergangenen Jahren habe es große Fortschritte bei der Integration von leitenden Fäden oder kontaktiven Farben in Textilien gegeben, sagt Seymour. Auch Standards für die Kommunikation der Technik untereinander entstünden zunehmend. Durch die Massenfertigung würden die Sensoren auch billiger.
Rucksack mit Alarm
Auch abseits des Wellness- und Gesundheitsbereiches gewinnen Wearables an Bedeutung. Der oberösterreichische Designer Wolfgang Langeder setzt mit seiner tragbaren Technik auf das Thema Sicherheit. Mit seiner Firma utope arbeitet er etwa an einem alarmgesicherten Rucksack.
Versucht man, ihn ohne das Wissen des Trägers zu öffnen, oder wird er zu weit von seinem Besitzer entfernt, schlägt Skarabeos, so der Name des mit Magnetfeldsensoren aufgerüsteten Gepäckstücks, Alarm. In den nächsten Monaten ist eine Crowdfunding-Kampagne geplant.
Vor vier Jahren machte Langeder mit der gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) entwickelten intelligenten Jacke Sporty Supaheroe auf sich aufmerksam. Das Kleidungsstück für Radfahrer ist mit LEDs ausgestattet, die bei Bewegungen leuchten, etwa wenn ein Handzeichen zum Abbiegen gegeben wird.
„Wir wollten zeigen, was möglich und auch sinnvoll ist“, sagt Langeder. Im Wearable-Bereich werde viel gespielt. Vieles habe zwar einen guten Effekt, ergebe aber keinen Sinn: „Wir müssen überlegen, was die Leute brauchen und wie wir Anwendungen dafür generieren können.“
Einsatzmöglichkeiten im Alltag
Das Näherrücken der Technik an den Körper sei für viele noch ein heikles Thema, meint Langeder. Über kurz oder lang werde Technik aber auch in Alltagskleidung Einzug halten. Im Modebereich machten Technik und die Verbindung der digitalen Welt mit Textilien Felder auf, die es bisher nicht gegeben habe.
Potenzial für Wearables sieht Langeder im medizinischen Bereich. „Verbände, die intelligent sind, oder Textilien für die Pflege.“ Aber auch bei der Innenausstattung von Autos würden sich Möglichkeiten ergeben: „Die wird immer intelligenter, da könnte es, was Textil und Technik betrifft, interessant werden.“
Kleidungsstücke als Game-Controller seien ebenso denkbar wie Sicherheitsvorkehrungen in Arbeitskleidung oder Anwendungen im Energiebereich, sagt Seymour: „Wenn viele Leute in einem Raum schwitzen, kann ich die Heizung darauf abstimmen.“ Neue Interaktionsformen Mit Wearables nehmen die Interaktionsformen mit Technik zu. Sie reagieren auf Gesten und Bewegungen ebenso wie auf Sprache oder Geräusche. Sprache werde sich als Interaktionsform durchsetzen, meint Seymour.
Autositze reagieren auf Stress
Auch Gesten und Bewegungen seien interessant. Sehr viel werde aber automatisiert stattfinden. Wenn Sensoren Stress im Körper erkennen, könnte etwa der Autositz automatisch darauf reagieren: „Es gibt viele Möglichkeiten, die noch gar nicht bedacht wurden.“
Dieser Artikel erschien zuerst auf futurezone.at