Nebel, Regen, im Hintergrund ein Atomkraftwerk. Hunderte Vögel, die tot vom Himmel fallen. Eine tiefe Höhle, die wie ein schwarzes Loch alles verschluckt. Und mittendrin die fiktive Kleinstadt Winden. Mystisch und dunkel kommt die erste deutsche Netflix-Serie „Dark“ daher, die am 1. Dezember auf dem Streamingportal startet.
Im Zentrum stehen vier Familien, deren Leben völlig aus den Fugen gerät, als zwei Jungs auf mysteriöse Weise verschwinden. Auf der Suche nach den Kindern kommen immer mehr Geheimnisse ans Licht, die weit zurück bis ins Jahr 1953 reichen. Raum und Zeit haben dabei keine Grenzen mehr.
Zwischen Nena, Raider und „Es“
Wer die Netflix-Serie „Stranger Things“ liebte, wird auch „Dark“ feiern. Der 80er-Nostalgie-Grusel-Vibe, der „Stranger Things“ so besonders machte, ist auch bei „Dark“ zu fühlen: Übernatürliche Erlebnisse, Nena (als sie noch gut war), Raider, ein dunkler Wald und Kinder auf Rädern, die irgendwohin fahren, wo sie bestimmt nicht sein sollten. Dazu gibt es einen gruseligen Hauch von „Twin Peaks“ und „Es“.
Beabsichtigt ist die Nähe zu „Stranger Things“ nicht, wie Jantje Friese und Boran bo Odar, die Macher von „Dark“, beim Gespräch in Berlin beschwören. Man sei bereits in der Produktion gewesen, als die Serie der Duffer Brothers auf den Markt kam. „Definitiv haben die Duffer Brothers auch Stephen King gelesen und ,Twin Peaks’ geguckt. Man merkt, dass sich die aktuellen Serien- und Filmemacher für die gleichen Dinge interessieren“, meint Friese, die die Drehbuchautorin ist.
Mit Baran bo Odar, mit dem sie auch privat liiert ist, gelang Jantje Friese 2014 mit dem Hacker-Thriller „Wo am I – Kein System ist sicher“ der Durchbruch. Daraus hatte Netflix mit dem Duo eigentlich eine Serie machen wollen, doch das Paar lehnte ab. Man wiederhole sich eben nie, so Regisseur Odar.
„Dark“ zu speziell für die ARD
In „Dark“ steckt viel Privates, verrät er. Beide Macher kämen aus einer Kleinstadt. „Und mein Vater hat in der Atomindustrie gearbeitet. Gerade in den 80ern war das nicht so cool, wenn Mitschüler Aufkleber mit ,Atomkraft? Nein Danke’ tragen“, berichtet er lachend.
Dass „Dark“ auch in der ARD oder im ZDF laufen könnte, bezweifeln die beiden. „Wir glauben, dass dann das Projekt nicht zustande gekommen wäre. Wir sind zu speziell für einen Sendeplatz in der ARD“, denkt Friese. Netflix habe nur zwei Anforderungen gestellt, erklärt Odar: „Qualität“ und „Just get the best actors“ (Verpflichtet die besten Schauspieler).
Man merkt der Serie jene Freiheit an. Die Bilder, die Odar in zehn Folgen zeichnet, sind atemberaubend und gestochen scharf. Aufgenommen wurden sie mit einer Spezialkamera. Immer mehr wird der Zuschauer in diesen tiefen, dunklen Kiefernwald gezogen. Und immer dramatischer wird die Welt in Winden.
Dass die Figuren dabei aus der nahen Zukunft im Jahr 2019 ins Jahr 1986 und noch weiter zurück ins Jahr 1956 springen, ist ein erzählerisches Wagnis und für den Zuschauer erstmal eine Herausforderung – die aber gemeistert wird.
Was in „Dark“ passiere, käme so nicht ins deutsche Fernsehen
In 190 Ländern wird die erste deutsche Netflix-Serie „Dark“ zu sehen sein. Bekannte deutsche Größen wie Oliver Masucci, Karoline Eichhorn, oder Jördis Triebel wurden verpflichtet, ebenso Newcomer wie Louis Hofmann oder Lisa Vicari. Insgesamt gab es 150 Drehtage.
Hofmann, der als Nachwuchshoffnung des deutschen Films gilt, spielt in „Dark“ eine der Hauptrollen, nämlich Jonas Kahnwald, dessen Vater sich erhängt. Für den 20-Jährigen war es das erste Mal, dass er über so einen langen Zeitraum bei einem Dreh dabei war. Hatte er denn Angst vor der Rolle? „Ja, dass ich den Erwartungen nicht gerecht werden kann, so ein großes Mammut-Projekt mitzutragen. Und Jonas, den ich spiele, hat ja diverse Probleme.“
Am Set habe man gespürt, dass alle etwas Großes kreieren wollten. „Man hat bei jedem einzelnen gemerkt, dass er Ambitionen hatte“, so Hofmann beim Gespräch in Berlin.
Auch Darsteller Oliver Masucci, der in „Dark“ den Ermittler und Familienvater Ulrich Nielsen spielt, schwärmt vom Dreh mit Netflix. „Wir hatten mehr Zeit, mehr Technik, mehr Mittel zur Verfügung, um qualitativ zu produzieren“, sagt der 48-Jährige. Was in „Dark“ passiere, würde man so nicht im deutschen Fernsehen sehen, „weil die Figur moralisch so in die Enge getrieben wird, dass sie etwas tun müssen, was echt übel ist“.
Empfehlung: „Dark“ mehrmals sehen
Das fertige Produkt kennen selbst die Schauspieler beim Pressetermin in Berlin noch nicht. Netflix hüllt sich gerne in Schweigen. Nur drei Folgen durfte man vorab sehen. Was genau in Winden also passiert, wird erst am 1. Dezember bekannt sein.
Für Louis Hofmann steht aber bereits jetzt fest, man sollte „Dark“ direkt mehr als einmal sehen. „Es gibt so viele Handlungsstränge, 72 Rollen, verschiedene Zeitebenen. Ich glaube, da ist es gut, wenn man sie zwei- oder dreimal sieht. Mit dem Wissen, das man dann hat, sieht man „Dark“ anders und kann Neues entdecken“, erklärt der 20-Jährige.
Ein Vorschlag, den man gerne umsetzt. Denn bereits beim ersten Gucken zieht diese Mystery-Zeitreise-Krimi-Mischung den Zuschauer in den Bann.