Letzte Woche habe ich mir genau hier Gedanken über die Generation Empowerment gemacht. Mich haben viele Nachrichten erreicht, dass der Artikel ins Schwarze getroffen hat. Eure Nachrichten haben mich nochmal zum Nachdenken gebracht: Warum gibt es die Generation Empowerment in der Politik eigentlich nicht?
Als ich mit 20 Jahren für den baden-württembergischen Landtag kandidierte, konnte ich nicht auf eine 20-jährige Parteierfahrung zurückgreifen, die viele meiner Kolleginnen und Kollegen in der Partei hatten. Das war sicher ausschlaggebend dafür, warum ich auch andere, neue und auch jüngere Wählerinnen und Wähler erreichen konnte.
Doch bis dahin war es auch ein steiniger Weg: Ja, es gibt sie, diese Alt-Herren-Zirkel in der Politik, die auf lange Karrieren in Orts-, Kreis-, Landesverbänden zurückblicken können. Es gibt diese Absprachen vor Parteitagen, wer wann wie gewählt wird, und jede Abweichung wird kritisch beäugt und mit Ablehnung quittiert. Und genau diese Kreise brauchen dringend ein Update und eine Erfrischungskur.
Stellen wir uns vor, es gäbe „New Work“ in der Politik, und alle wollen hin
Während im Unternehmensumfeld derzeit Strukturen hinterfragt, reflektiert und neu definiert werden, scheint es in der Politik eher darum zu gehen, Politik-Mikado zu spielen, ganz nach dem Motto: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Stellen wir uns also einmal vor, es gäbe die „New Work“-Bewegung in der Politik – und alle wollen hin.
Aufbrechen von Hierarchien, mehr Diversität und Freiraum zur Entfaltung. Vielleicht gäbe es so weniger Parteienverdrossenheit und mehr Engagement für die Themen unserer Zeit. Und vielleicht auch wieder mehr Generation Empowerment im politischen Umfeld? Denn engagierte junge Menschen gibt es in den Parteien – ob in den jeweiligen Jugendorganisationen oder deren „Mutterparteien“.
Doch irgendwie scheint es, als würden all jene, die wirklich etwas verändern und anpacken wollen, den Weg an die Spitze nicht schaffen. Oder anders gesagt: Auf dem Weg an die Spitze scheinen sie die Ausfahrt „Politikerschule“ zu nehmen. Die jugendliche Naivität, der Freigeist und einfach auch mal zu sagen, was man denkt, nicht, was man denken sollte, scheinen auf der Strecke zu bleiben. Manchmal ziemlich zum Verzweifeln.
Gesucht: Jung, divers, digital
Der aktuelle Bundestag bricht alle Rekorde, was die Diversitätsquote betrifft – leider im negativen Sinn. Der Frauenanteil ist auf 31 Prozent gesunken, der Anteil an Politikerinnen und Politikern unter 30 liegt bei 2,3 Prozent, und im Bereich Vielfalt in Bezug auf Herkunft ist mit 8 Prozent Anteil auch noch Luft nach oben.
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Es braucht neue, junge, frische Gesichter in der Politik – ich bin absolut dafür, dass auch Quereinsteiger, die von „alteingesessenen“ Parteimitgliedern so kritisch beleuchtet werden, eine echte Chance bekommen, in der Partei Karriere zu machen. Politik zu machen, heißt nicht, über sie zu diskutieren, sondern sie selbst schon erlebt zu haben, ob als Angestellte/r oder als Unternehmer/in.
Es braucht heute mehr denn je Menschen, die nicht über Politik sprechen, sondern sie gestalten. Frei von verstaubten, tradierten und eingefahrenen Parteistrukturen. Es braucht Vorbilder, neue Gesichter, digital denkende und lebende Menschen und ganz dringend eine Parteienkultur mit Gestaltungsspielraum, neuen Ideen und eigener Meinung!
Tijen Onaran ist Unternehmerin, Moderatorin, Speakerin und Kolumnistin. Mit startup affairs berät sie Unternehmen in der PR- und Öffentlichkeitsarbeit und engagiert sich mit ihrer Initiative Global Digital Women für die Vernetzung und Sichtbarkeit von Frauen in der Digitalbranche. Vor ihrer Selbstständigkeit war Tijen Onaran für Europa-, und Bundestagsabgeordnete, für das Bundespräsidialamt sowie für Verbände und eine Hochschule in leitenden Funktionen tätig. Wer sich mit ihr trifft, muss erst an Paul, Cocker Spaniel adeliger Herkunft, und Leo, Labrador-Mix exotischer Herkunft, vorbei.