Unter dem Motto „Empowering Women and Girls in Media and ICT: Key for the Future“ kommen am 7. März in Brüssel EU-Parlamentarier/-innen, Journalist/-innen und andere Experten/ Expertinnen in mehreren Panels zusammen, um gemeinsam und kurz vor dem internationalen Frauentag über die weibliche Rolle und Perspektiven von Frauen im Medien- und Digitalbereich zu diskutieren.
Auf dem Programm stehen unter anderem die folgenden Themenschwerpunkte (den Live-Stream gibt es hier):
- Opening Keynote: „IT: a gender equality tool?“
- Panel Discussion I: Media shaping women or women shaping media?
- Panel Discussion II: When girls take the driving seat in the digital revolution
- Panel Discussion III: Raising the voice against the unacceptable
Die abschließende Keynote zum Thema „Breaking the silence“ wird von der italienischen Schauspielerin Asia Argento gehalten, die auch als Regisseurin und Aktivistin bekannt ist. Als eine der ersten Frau hat Argento den sexuellen Missbrauch innerhalb der Filmindustrie öffentlich verurteilt und angemahnt.
Live-Ticker zum Event
Zur Eröffnung des Seminars spricht sich Director General for Communication und Sprecher des EU Parlaments, Jaume Duch Guillot, für die drei Hauptaugenmerke der heutigen Veranstaltung an:
- Die Rolle der Frauen bei der Gestaltung von Medien
- Die Bestärkung von Frauen und Mädchen durch digitale Inklusion
- Das Voranschreiten der Gleichstellung von Mann und Frau im digitalen Zeitalter
Da Medien als eine Säule der Gesellschaft angesehen werden, die sich unter anderem durch Informationsfreiheit und Diversität von Meinungen auszeichnet, sei es essentiell, dass Frauen als Teil der demokratischen Gesellschaft in der Lage sind, sich und ihre persönlichen Perspektiven auszudrücken, und gleichzeitig auf angemessene und realistische Art durch die Medienindustrie repräsentiert werden.
Darüber hinaus haben die digitale Wirtschaft und die Internetwirtschaft einen enormen Einfluss auf unseren Alltag. Dadurch, so Guillot weiter, habe Digitalisierung das große Potenzial, Frauenrechte und die Bestärkung von Frauen und Mädchen zu fördern. Das Internet schafft seiner Ansicht nach ein neues Bewusstsein für Genderfragen und Gleichstellung, das alle Ebenen und Bereiche der Gesellschaft beeinflussen kann, angefangen von politischer Teilhabe bis hin zu Gewalt gegen Frauen.
Ist IT ein Werkzeug zur Gleichstellung?
Die Situation von Frauen in der Tech-Branche stellt Cecilie Bonefeld-Dahl, Director General von DIGITALEUROPE, einführend anhand ihrer eigenen Erfahrungen dar. Als sie in der Branche Fuss fasste, war sie eine Frau unter fünf Männern, während die restlichen weiblichen Arbeitskräfte höchstens Sekretärinnen waren. 2006 besuchte Bonefeld-Dahl eine Konferenz, auf der sie sich unter 200 Männern als Frau nahezu allein vorfand. Die einzige andere Frau, die sie entdeckte, sprach sie an aus einem Gefühl der Verbundenheit heraus und legte so den Grundstein für ihr heutiges, großes Netzwerk an Frauen.
Damit spricht sie zugleich ein bedeutendes Problem an, denn Frauen sind ihrer Ansicht nach äußerst schlecht darin, zu netzwerken; auch aus dem Grund heraus, dass direkte Kontaktaufnahme zu männlichen Kollegen oft falsch verstanden werden kann. Dabei sei es jedoch nicht sinnvoll, als Frau nur auf ein Netzwerk aus Frauen zu bauen. Männer und Frauen müssten laut Bonefeld-Dahl aber deutlich besser darin werden, zusammen zu arbeiten.
Auch im Rahmen ihrer Tätigkeit für DIGITALEUROPE, einem Verband, der die digitale Tech-Industrie in Europa repräsentiert, kann Bonefeld-Dahl nur auf Verbesserungspotenziel hinweisen, insbesondere wenn es um den Frauenanteil in höheren Positionen geht. Dennoch habe sie festgestellt, dass Frauen zunehmend Interesse an der Tech-Branche zeigen, die ihrer Meinung nach hart ist, aber auch Spaß macht. Als Frau müsse man allerdings in der Lage sein, nicht nur dem Druck standzuhalten, sondern auch damit umgehen können, sich messen zu lassen.
Schwieriger würde es außerhalb Europas, so Bonefeld-Dahl weiter, beispielsweise im Mittleren Osten, Afrika und Entwicklungsländern, in denen nahezu 75 Prozent der Frauen keinen Zugang zum Internet haben. Hier müssten die Medien ihre Rolle dafür nutzen, den Frauen Vorbilder und den Trend zur Bestärkung der Frau vor Augen zu führen. Die Presse könne beispielsweise weibliche Führungskräfte in den Fokus rücken und deren Kämpfe und Siege aufzeigen. In höher entwickelten Ländern wäre es dagegen an den Frauen, sich selbst sichtbar zu machen, wenn sie eine Vorbildfunktion erfüllten. Führungsqualitäten bedeuten laut Bonefeld-Dahl dabei vor allem, Risiken einzugehen, Entscheidungen zu treffen und sich nicht davor zu ducken. Es sei wichtig, für Frauen und Mädchen solche Vorbilder, an die sie sich anlehnen und zu denen sie aufschauen können, aktiv zu schaffen und diese auch erkennbar hervorzuheben.
Formen Medien Frauen oder gestalten Frauen die Medien?
In der ersten Panel-Diskussion zum Thema ob Medien Frauen formen oder Frauen Medien gestalten, werden von den vier Teilnehmerinnen deutliche Standpunkte vertreten. So bräuchten Medien und Gesellschaft laut Michaela Sojdrová (Berichterstatterin des Entwurfes zur Geschlechtergleichheit im Mediensektor der EU) und der schwedischen Journalistin Teresa Küchler deutlich mehr Fraueneinfluss, was zum einen eine größere Vertretung durch Frauen als Teil der Medien, zum anderen aber auch mehr Repräsentanz von Frauen in den Medieninhalten bedeutet. Um dies zu etablieren, sollten Frauen beispielsweise häufiger als Expertinnen und Sachverständige gefordert und die Perspektive von Frauen zu Themen, die häufig männlichen Berichterstattern zugeordnet sind, eingeholt werden.
Auch innerhalb der Medien sei nicht nur der Prozentsatz an Frauen in leitenden Positionen gering, sondern auch der Anteil an weiblichen Medienvertretern generell, so Sojdrová weiter. Dieses Gefälle hat ihr zufolge Auswirkungen auf Inhalt und die Kultur interner Organisationen und würde für Frauen andere Bedingungen für Karriere und Laufbahn schaffen, da sie Privatleben und Beruf deutlich stärker unter einen Hut bringen müssten. Dennoch seien die Arbeitsbedingungen nicht darauf ausgelegt. Ein höherer Frauenanteil in Führungspositionen könnte dagegen positive Auswirkungen auf die Zukunft von Mädchen haben. Durch entsprechende Vorbilder würde ihnen vorgelebt, welche Positionen sie erreichen können. Durch diese Stärkung mag es laut M. Galle (der vollständige Name liegt momentan nicht vor) in zukünftig für Mädchen leichter sein, Entscheidungsfindungspositionen nicht nur anzustreben, sondern auch einzunehmen, ohne sich gesondert beweisen zu müssen.
Einen zusätzlichen Schwerpunkt legt Galle im Rahmen der Diskussion rund um die Gleichstellung von Mann und Frau darauf, wie wichtig es sei, Männer miteinzubeziehen. So müssten diese ihrer Anischt nach erst einmal verstehen, warum Frauen überhaupt durch Frauen gestärkt werden müssen. Sie sollten nämlich ebenso wie in der Politik auch in den Medien gemeinsam mit Männern die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln. Journalistin und Autorin Marta Garcia-Aller betont auch mehrfach in diesem Zusammenhang, dass das Maskuline nicht als das Universelle betrachtet werden darf. Der Diskurs müsse geändert werden, da es in der Diskussion um Gleichstellung nicht nur nicht nur um Frauenbelange gehe. Medien sind ihr zufolge nicht gut, wenn sie nicht vollständig sind, und sollten versuchen, die weibliche und männliche Sicht der Welt gleichermaßen darzulegen.
Wenn Mädchen in der digitalen Revolution das Ruder übernehmen
Saskia van Ufflen, CEO von Ericsson Belux eröffnete die zweite Panel-Diskussion über Mädchen in der digitalen Revolution mit den Mißständen, die sich immer noch im Bereich Tech abspielen. Als Beispiel führt sie ihr Land Belgien an, in dem weniger als zehn Prozent der Frauen als CEO oder Unternehmerin in diesem Sektor tätig sind. Frauen gingen der Tech-Branche zunächst deshalb verloren, weil sie sich nicht dafür interessieren würden; rein wirtschaftlich müssten sie aber dringend als Ressource genutzt werden.
Ganz generell würden Frauen sowieso dem Problem zukünftiger Arbeitslosigkeit gegenüberstehen, weil viele von ihnen im Tech-Sektor den Bereichen Verkauf, Marketing und Personal angehörten, aber nicht über die Kompetenzen verfügten, die in den kommenden Jahren gefordert würden, so van Ufflen. Deshalb sollte lebenslanges Lernen ein Kernbestandteil eines jeden Unternehmens sein. Es ginge darum, dass mehr Frauen auch morgen in der Wirtschaft mitziehen können müssen.
Ein ebenso wichtiger Aspekt: der Zugang für Frauen zu Medien und zum Internet. Auch hierbei herrschten Ungleichheiten, so eine weitere Sprecherin (der Name liegt bisher nicht vor), die Frauen benachteiligt, weil ihnen der Zugriff auf die Möglichkeiten, die die neue Wissensgesellschaft zu bieten hat, teilweise verwehrt wird. Die tatsächliche Revolution in dieser Hinsicht müsse der Sprecherin zufolge allerdings in Entwicklungsländern stattfinden. Hier wäre es von großer Bedeutung, aktiv auf Diskriminierung hinzuweisen und das Bewusstsein dafür zu schärfen. Der Wandel müsse durch alle erfolgen.