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Interview: Wie Sexroboter Klischees und Stereotype reproduzieren

futurezone im Gespräch mit der Wiener Philosophin Janina Loh über die Beziehung zwischen Mensch und Maschine, Feminismus und Roboterethik.

Roboter-Stripper
So wie Roboter menschliche Jobs übernehmen

Janina Loh beschäftigt sich an der Universität Wien mit Künstlicher Intelligenz und Roboterethik. Sie ist seit April 2016 Universitätsassistentin (Post-Doc) im Bereich Technik- und Medienphilosophie und arbeitet derzeit für den Suhrkamp-Verlag an der ersten deutschsprachigen „Einführung in der Roboterethik“. Die futurezone hat mit der Philosophin im Zuge des Rrriot Festivals über Roboter, Feminismus, Sex, Lust und Liebe gesprochen.

futurezone: Was macht die Faszination des Menschen von Maschinen im Kontext mit Beziehungen aus?

Janina Loh: Ich denke, dass diese Faszination ganz unterschiedlicher Natur sein kann wie auch bei Mensch zu Mensch. Aus meiner Sicht gibt es keine Roboter-spezifische Faszination. Manche Menschen finden Maschinen interessant, weil sie ihre Kontroll- und Unterwerfungsfantasien an ihnen ungehemmt ausleben können. Andere finden gerade aus diesem Grund die Möglichkeit, eine Beziehung mit einer Maschine einzugehen, flach und langweilig. Andere wiederum können dank Robotern ihre Lust endlich erfüllt ausleben – ein Argument, das Ezio Di Nucci mit Rekurs auf Menschen mit Behinderungen macht. Und wieder andere freuen sich einfach über einen artifiziellen Freund oder Freundin wie einige ältere und älteste Menschen, die in Altersheimen von anderen Menschen allein gelassen werden, und in Robotern zumindest in einem minimalen Sinne „Ersatz-Partner“ sehen.

Das heißt, Roboter könnten vor allem im Alter eine wichtige Rolle übernehmen?

Nein, so generell würde ich das nicht sagen. Aber eine von William A. Banks 2007 durchgeführte Studie hat bspw. ergeben, dass alte Menschen zu einem Roboterhund, in diesem Fall AIBO von Sony, eine ganz ähnliche Bindung aufbauen können wie zu einem lebenden Hund. Der Roboter-Robbe Paro gegenüber (entworfen von Takanori Shibata), öffnen sich insbesondere demenzkranke Menschen, die oftmals dazu neigen, sich von ihren menschlichen Betreuerinnen und Betreuern zu isolieren.

Es ist also alles möglich – von intimen Kontakten bis zu Freundschaften mit Robotern. Wo liegt für Sie die Grenze?

Menschen erkennen Tiere als Familienmitglieder an, um deren Ableben sie trauern, sie spielen ihren Zimmerpflanzen auf der Violine vor, um ihr Wachstum anzuregen, sie hängen über Jahrzehnten an ihren Schnuffeldecken und geben ihren Autos Namen. Glaubt man Hannah Arendt, liegt das vielleicht daran, dass Menschen bereits in ihrem Denken niemals gänzlich allein, immer schon an ein imaginiertes Gegenüber gebunden sind. Arendt nennt diese Tatsache menschlichen Daseins das „innere Zwiegespräch zwischen mir und mir selbst“. Und jede Beziehung, die ein Mensch eingeht, ist Ausdruck davon.

Das gilt auch für Beziehungen zu Unbelebtem. Objekte wecken unterschiedliche Gefühle in uns, sie vermitteln Geborgenheit, leisten Gesellschaft oder regen uns auch mal auf. Ganz ehrlich: Haben Sie noch nie Ihren Computer angeschrien, besitzen Sie eine Lieblingstasse, eine Glückssocke oder sprechen Sie mit Ihrem alten Spielzeugteddy?

Resultiert daraus auch die sogenannte Objektverliebtheit?

Ja, einige von uns gehen sogar intime Verbindungen mit Objekten ein: So heiratete Aaron Chervenak 2016 in Las Vegas sein iPhone und die Berlinerin Michelle lebt seit 2014 in einer festen Partnerschaft mit einer Boeing 737-800. Die beiden sind damit Mitglieder einer seltenen Gruppe von Menschen, denen Objektophilie „diagnostiziert“ wird, also eine ungewöhnlich stark ausgeprägte emotionale Bindungsfähigkeit an bestimmte Gegenstände. Entgegen der gängigen Reaktionen, über solche und ähnliche Fälle zu lachen, empört den Kopf zu schütteln oder sie als pathologisch bzw. ‚verrückt‘ abzutun, interpretiere ich sie als ehrliche, wenngleich auffällige Beispiele der besagten Fähigkeit, Beziehungen nicht nur zu Menschen und Tieren, sondern auch zu allem eingehen zu können.

Sie sind auch überzeugte Feministin. Was bedeuten für Sie Sex-Roboter im Zusammenhang mit Feminismus, geht das überhaupt zusammen?

Sexroboter sind aus meiner philosophischen und feministischen Sicht ähnlich differenziert zu betrachten, wie alle anderen Formen von Beziehungen. Es geht immer um bestimmte Personen und bestimmte Roboter. Manche spezifischen sexuellen Verbindungen mit Robotern sind vielleicht problematischer als andere. Der sexuelle Umgang mit Robotern ist außerdem, zumindest bislang, eher eine Form der Masturbation und die Frage, ob diese oder jene Form der Masturbation, bei der bestimmte Tools zum Einsatz kommen, moralisch fragwürdig ist, ist dann eben nicht mehr roboterspezifisch.

Auf der Technik-Messe CES in Las Vegas haben Roboter mit Frauenbrüsten in einer GoGo-Bar an der Stange getanzt.Wie bewerten Sie derartige Aktionen? Sind sie eher ein Befreiungsschlag oder nehmen sie GoGo-Tänzerinnen ihre Jobs weg?

Manche Menschen sehen darin bestimmt einen „Befreiungsschlag“, andere befürchten in der nahen Zukunft den Verlust ihrer Arbeit. Das bringt uns zu dem Thema, ob Arbeit generell schätzenswert ist und unter welchen Umständen. Unbedingt reproduzieren Sexroboter Klischees, Rollenmuster und Stereotype – aus meiner Sicht ist das allerdings kein Einwand gegen Sexroboter per se. Denn nicht erst mit der Erfindung von Sexrobotern sind diese Klischees, Rollenmuster und Stereotype problematisch. Roboter machen außerdem mehr, als diese Klischees zu reproduzieren.

Derzeit ist die Sex-Roboter-Branche stark männlich dominiert und auf männliche Wünsche ausgerichtet. Wie kann man verhindern, dass dieselben Stereotype wie bisher einprogrammiert werden?

Zum einen dadurch, dass wir eine möglichst bunte und heterogene Menschengruppe für die Technikwissenschaften begeistern, dass also ganz viele unterschiedliche Menschen Robotikerinnen und Robotiker werden wollen. Das zielt auf Bildungsinitiativen. Zum anderen dadurch, dass die jetzigen Robotikerinnen und Robotiker Ethikschulungen durchlaufen müssen, bevor sie Produkte auf den Markt bringen dürfen, in denen sie ein Bewusstsein für die moralischen Herausforderungen, die mit der Konstruktion von Robotern einhergehen, erlangen. Das zielt auf Weiterbildungsinitiativen.

Glauben Sie, dass sich Ethikkurse hier durchsetzen lassen?

In anderen Disziplinen sind Ethikkurse gang und gäbe, etwa in der Ausbildung unserer Medizinerinnen und Mediziner. Nur in den Technikwissenschaften ist die Notwendigkeit solcher Pflichtkurse noch nicht angekommen. Technik transportiert immer und grundsätzlich die Werte und Normen derjenigen, die sie entwickeln und konstruieren, oder anders gesagt: Es werden immer Stereotype im oder explizit durch Technik reproduziert. Das lässt sich nicht vermeiden. Aber man kann durchaus ein Bewusstsein für die Normen und Werte, die Menschen in ihre Technologien einfließen lassen, erlangen.

Generell werden Roboter häufig noch als „objektiv“ betrachtet und es wird vergessen, dass sie von Menschen mit all ihren Vorurteilen und Lebensansichten programmiert werden. Was muss die Gesellschaft hier noch lernen?

Es muss endlich Schluss mit der sogenannten Neutralitätsthese der Technik sein. Menschen sollten lernen, über den Horizont der eigenen Lebenswelt hinauszublicken. Wir sollten den Mut für ein kritisches Urteilsvermögen haben, das absolut nötig ist. Welche Werte, Normen, Rollen, Stereotype, Klischees sind in welchen Kontexten und unter welchen Umständen problematisch bzw. moralisch fragwürdig? Dazu können und müssen wir alle Position beziehen und den möglichst offenen, weiten und heterogenen Austausch suchen.

Disclaimer: Die futurezone ist Medienpartner des Riot Festivals und Business Riot Festivals. Janina Loh hat beim Talk „Sex, Love & Artificial Intelligence“ mitdiskutiert.

Dieser Artikel erschien zuerst auf futurezone.at

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