„Es ist sieben Uhr, dein Meeting um halb neun wurde abgesagt“ – sagt die sanfte Stimme des digitalen Hausassistenten in die Stille des Schlafzimmers. Sabine reibt sich die Augen. Gut, dann macht sie heute Homeoffice. Während Sabine sich im Bett aufrichtet, fahren die Rollläden leise ratternd hoch.
Auf dem Smartphone wischt sie kurz durch die Schlafdaten ihrer beiden Kinder – offenbar hatte Paul letzte Nacht einen Albtraum – und Marie ist wieder viel zu spät eingeschlafen. Als Sabine in die Küche kommt, ist die Kaffeemaschine bereits angesprungen, die Kinder löffeln Müsli, beide ins Smartphone vertieft. Draußen hupt es kurz, Marie und Paul packen ihre Taschen und stürmen grußlos nach draußen.
Sabine gießt sich ihren ersten Kaffee ein und lehnt sich zurück: Seit sie das Roboterauto haben, muss sie die beiden endlich nicht mehr selbst zur Schule fahren. Ob bei Mama alles o. k. ist? Sabine tippt auf das Küchendisplay im Tisch, kurz darauf erscheint ein Live-Videobild aus der Wohnung ihrer Mutter. Der neue Pflege-Roboter hilft der alten Frau gerade aus dem Bett in den Rollstuhl. Gut, dass die Kasse den bewilligt hat, denkt Sabine – sonst hätten wir Mama schon längst ins Heim geben müssen. Zufrieden schaltet sie das Display aus und schenkt sich Kaffee nach.
Sieht so unser Leben in 15 bis 20 Jahren aus?
Gut möglich, dass unser Leben in 15 oder 20 Jahren so aussehen könnte. Doch was für manche sicherlich eine erstrebenswerte Digitalisierungs-Vision ist, wird für andere eher zum technologischen Albtraum. Dass die Bundesregierung Deutschlands digitale Zukunft zunehmend in den Blick nimmt, lässt sich im Koalitionsvertrag nachlesen. Breitbandinternet, digitale Bildung, IT-Sicherheit – diese und weitere Themen sind dort unter der Überschrift „Digitalisierung“ aufgelistet. Ob wir Deutschen für die digitale Zukunft bereit sind, beantwortet das nicht.
Die Studie „Technik Radar 2018 – Was die Deutschen über Technik denken“, die am Freitag in Berlin vorgestellt wird und der Redaktion vorab vorlag, beschäftigt sich genau mit dieser Frage. Laut Studienleiter Ortwin Renn, wissenschaftlicher Direktor am Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam, lässt sich diese aber nicht einfach beantworten: „Laut den Ergebnissen herrscht in Deutschland weder Technikfeindlichkeit noch Technikeuphorie, sondern eine skeptische, aber auch erwartungsvolle Grundhaltung. Wir sehen, dass mehr als die Hälfte der Befragten an Technik interessiert ist, viele sich sogar für technikbegeistert halten – und die Hälfte rechnet damit, dass Technik die Zukunft verbessern wird. Es gibt also eine technikaufgeschlossene Grundstimmung.“
Viele Befragte sind Technik gegenüber kritisch
Gleichzeitig glaubt aber nur ein Viertel der Befragten, dass Technik mehr Probleme löst, als sie schafft. Die Einstellung zur Technik wird bei uns Deutschen oftmals von Angst beeinflusst – Angst vor Hackerangriffen, vor Datenspionage, vor Kontrollverlust. Das Autofahren traut man Robotern hierzulande kaum zu – die Pflege alter Menschen hingegen schon. Deutschland und Technik: Das Verhältnis ist kompliziert.
Bis heute war all das allerdings kaum quantifizierbar – das „Technik Radar“ ist die erste umfassende Studie, die sich vornehmlich der Frage widmet, was Deutsche von Technik halten. Künftig soll die Untersuchung von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und der Körber-Stiftung im Zweijahres-Rhythmus durchgeführt werden, mit jeweils wechselnden Schwerpunkten. Ihre Macher hoffen, dass so ein Werkzeug entsteht, das frühzeitig registriert, wenn etwas zwischen der technologischen Entwicklung und den Deutschen schiefläuft.
So widmet sich die erste Ausgabe direkt kontroversen Themen wie Smarthome, autonomem Fahren oder Robotern in der Pflege – und kommt dabei zu teils unerwarteten Ergebnissen.
Autonomes Fahren
Spätestens seit dem Erfolg der Elektroautos von Tesla, die auf der Autobahn bereits wie von Geisterhand die Spur wechseln können, beschäftigt autonomes Fahren etliche Deutsche – bis hin zum ehemaligen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Trotz einiger aufsehenerregender Unfälle kam das US-Verkehrsministerium schon vor anderthalb Jahren zu dem Schluss, dass Teslas noch sehr eingeschränkter Autopilot bereits jetzt 40 Prozent weniger Unfälle verursacht, als die menschlichen Tesla-Lenker.
Andere Studien belegen, dass 90 Prozent der Unfälle auf Fahrfehler zurückzuführen sind. Eindeutige Zahlen – dennoch können sich laut Technik Radar gerade einmal 16,2 Prozent der Autofahrer vorstellen, Verantwortung an ein selbstfahrendes Auto abzugeben. Studienleiter Renn meint hier vor allem verletzten Stolz zu erkennen: „Jeder Deutsche glaubt, dass er ein sehr guter Fahrer ist. Dass stattdessen ein Roboter sicherer fahren könnte, ist schlicht eine Kränkung.“
Doch die Deutschen haben Roboterautos gegenüber weitere Bedenken: Zwei Drittel (65,9 Prozent) etwa rechnen mit einem Verkehrschaos, ausgelöst durch Computerpannen, 67,4 Prozent glauben, dass Hacker Störungen und Unfälle verursachen werden. Über 80 Prozent der Deutschen haben zudem Zweifel an der Zuverlässigkeit des voll automatisierten Fahrens. Für die Zukunft haben Auto- und Computerhersteller also noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.
Smart Home
Unter Smart Home wird von der per App steuerbaren Lampe bis hin zum smarten Türschloss alles zusammengefasst, was sich im Haushalt mit dem Netz verbinden lässt. Bislang noch ein Nischenphänomen: Nur 8,1 Prozent der Befragten gaben an, bereits entsprechende Geräte zu nutzen. Ganze 57,3 Prozent schließen eine Nutzung sogar in Zukunft aus. Das könnte vor allem auch an ihren Bedenken liegen: Gut zwei Drittel der Befragten befürchten, dass Smart Home dazu führen könnte, dass Hacker die eigene Wohnung kontrollieren.
Darauf einzugehen, sei ein Ansatzpunkt für mehr Akzeptanz, sagt Studienleiter Renn: „Kriminelle, die sich ins Wohnzimmer hacken – sowas hat natürlich eine große Suggestivkraft. Da ist es ganz wesentlich, dass sowohl von den Regulierern als auch von den Herstellern offen kommuniziert wird, was man bereits alles tut, um diese Gefährdungen einzudämmen.
Oftmals geschieht das nur zurückhaltend, möglicherweise um keine schlafenden Hunde zu wecken. Aber das tut man nicht, die Deutschen haben diesbezüglich bereits ein Problembewusstsein, das auch adressiert werden muss.“
Roboter
Überraschend sind die Zahlen zum Thema Haushaltsroboter. Laut Umfrage besitzt schon jeder Dritte einen Staubsaugerroboter oder ähnliche digitale Helferlein. Mehr als die Hälfte von ihnen gibt aber auch an, diesen niemals zu nutzen. Renn kennt das selbst: „Ich hatte mir einen Wischroboter angeschafft – aber der wischte den Dreck bloß von einer Ecke in die andere. Deshalb steht er jetzt im Keller.“ Hier zeige sich, dass viele Menschen offenbar unfertige Geräte erhalten haben, die ihren Zweck nicht erfüllen.
Wenn es darum geht, dass Roboter Arbeit in Alten- und Pflegeheimen übernehmen könnten, sind Deutsche zwar aufgeschlossen, fürchten aber auch die Folgen: So beurteilen immerhin 40,3 Prozent Roboter in der Pflege positiv, nur etwa jeder Dritte lehnt dies grundsätzlich ab. „Da hat sich in den vergangenen fünf Jahren viel getan“, sagt Renn. Allerdings sei die Akzeptanz etwa in Japan deutlich höher, wo man seit Jahren solche Lösungen testet.
81 Prozent der Deutschen fürchten aber auch, dass durch Roboter menschliche Zuwendung in der Pflege abnehmen könnte. 60 Prozent würden maschinelle Helfer aber befürworten, wenn dadurch das Pflegepersonal entlastet würde und sich so intensiver um seine Klienten kümmern könnte. Angesichts mangelnder Fachkräfte und hohen Krankenstands in der Pflege sicherlich eine bedenkenswerte Entwicklung.
Computer, Smartphones, Tablets
Was die private Nutzung digitaler Endgeräte, also von Laptop, Smartphone oder Tablet, angeht, sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen unter 65 Jahren äußerst gering: Rund 97 Prozent der Menschen zwischen 16 und 35 Jahren nutzen regelmäßig mindestens eines der Geräte, zwischen 35 und 65 Jahren sind es immerhin noch etwa 84 Prozent. Darüber verläuft eine Geschlechterschwelle: Von den Männern über 65 nutzen noch gut zwei Drittel (68,8 Prozent) PC oder Smartphone – bei den Frauen dagegen nicht einmal jede Zweite (44,2 Prozent).
Studienleiter Renn findet das Ergebnis dennoch ermutigend: „Positiv daran ist, dass die Altersgrenze der Gruppe, die Probleme mit Technik hat, stark nach oben geht – dieses Phänomen wächst langsam aus der Gesellschaft heraus.“ Smartphone, Smart Home, Haushaltsroboter – das seien zudem Dinge „die muss man als alter Mensch nicht mehr zwangsläufig mitmachen“.