Man mag es kaum glauben, aber christliche Videospiele gibt es in etwa so lang wie Videospiele selbst. Besonders die Katholische Kirche hat es nicht versäumt, auf neue Technologien aufzuspringen, wenn man einmal davon absieht, dass am Gottesdienst selbst noch wenig digital ist. Nun ist die größte Weltreligion bereit auch in die Virtual Reality (VR) tiefer einzutauchen.
Die Wunder Jesu: Live und in Farbe
Wired berichtete Anfang des Jahres von einem Prediger namens DJ Soto, der den Multiplayer-Service AltspaceVR nutzte, um seine Botschaften per Oculus Rift-VR-Set an Gläubige weiterzugeben. 2016 erzählte eine „Jesus VR“ Leben und Kreuzigung Jesu Christi nach. Das nächste Ding ist nun „7 Miracles“, ein Film von HTCs Vive Studios, einem der größten Entwickler und Hersteller von VR-Headsets, wie The Verge berichtet. Eine gute Gelegenheit für das Unternehmen, immerhin gilt es eine Zielgruppe von 2,3 Milliarden Menschen zur VR zu „bekehren“.
„7 Miracles“ ist eine Sammlung von sieben je zehn Minuten langen Vignetten, jede davon behandelt ein Wunder Jesu, wie im Johannes-Evangelium beschrieben. Das Werk feierte bereits seine Premiere beim Raindance Film Festival in London im Oktober diesen Jahres. Drei der Kurzfilme wurden dort gezeigt, alle zusammen sollen bald auf verschiedenen VR-Plattformen verfügbar sein.
Vermischung von Realität und Glauben
The Verge hat sich die „heilige“ VR angesehen und festgestellt, dass sie weder neu noch besonders eindrucksvoll ist. Es gehe aber auch nicht darum, dass Vive Studios seine VR-Fans missionieren wolle. Joel Breton, Vice President von Vive Studios zufolge hätte man auch irgendein anderes Thema nehmen können, Hauptsache die Zielgruppe ist noch nicht mit VR in Berührung gekommen. Christen würden perfekt zu dieser Beschreibung passen. Sie will das Studio zu echten VR-Gläubigen konvertieren: „Lassen Sie sie einmal VR ausprobieren und sie haben eine gute Chance, dass sie es wieder tun“, so Breton.
Ein unpolitischer, konfliktloser, blutleerer Film
„Das Ergebnis ist ein Film ohne Blut, ohne Politik und ohne wirklich viel Konflikt“, beschreibt The Verge „7 Miracles“. Die Wunder, die Jesus, dessen Existenz an sich schon zweifelhaft ist, angeblich getan haben soll, werden einfach nacherzählt statt kritisch kommentiert. Die Hochzeit von Kanaan ist so ein Beispiel dafür. Dort verwandelt Jesus Wasser zu Wein. Ein Gleichnis, mehr nicht. Im Film jedoch gibt es die Verwandlung gleich in Großaufnahme und Slow-Motion. Der Interpretation wird das nicht gerecht.
Als „isolierende Erfahrung“ wertet The Verge den Film. Der Sound bette sich nicht in die Szenen ein, die „360-Grad-Sicht“ sei beschränkt und die eigentliche Mission(ierung), das Publikum zusammenzuschweißen, schlug dem Autor zufolge fehl. Man fühle sich nicht behaglich in der Gemeinschaft aufgehoben wie nach einem Kirchgang. Und somit ist fraglich, ob der Film den Ansprüchen seines Regisseurs gerecht werden kann, der sagte, er habe „definitiv die Kraft“ unter den richtigen Umständen seine Zuschauer zum Christentum zu bekehren.
Willst du deine eigene VR-Brille selbst bauen oder lieber wie bei Pokémon Go im Vatikan Heilige jagen? Probier es doch einmal aus. Für Tech-Unternehmen können sich AR und VR jedenfalls lohnen. Wir sind erst am Anfang dieser vermeintlichen Revolution.