Wie kann es sein, dass die amtierende Bürgermeisterin Berlins, Franziska Giffey, auf einen Fake-Anruf reinfällt, bei dem unter anderem über den Ukraine-Krieg gesprochen wird? In der Aufarbeitung des Ablaufs kommen immer wieder neue Ungereimtheiten auf, die schon im Vorhinein hätten Vorsicht walten lassen sollen. Aktuell vermutet man, dass hinter der realistisch anmutenden Täuschung Klitschkos ein Deepfake steckte.
Wieso sollte das Gespräch auf Russisch stattfinden?
Eine Nachricht versendet von einer inoffiziellen E-Mail erreicht das Rote Rathaus in Berlin. Absender war der Bürgermeister von Kiew, der um eine Videoschalte bittet. Dass diese E-Mail Anfang Juni nicht von einer Adresse mit offizieller Signatur versendet wurde, wundert erst einmal niemanden. Insbesondere zu Beginn des Ukraine-Krieges war das nicht allzu ungewöhnlich, auch spontan über andere Kanäle zu kommunizieren.
Auch die anberaumten Gesprächsthemen zu einer künftigen Zusammenarbeit im Bereich Kultur zwischen Berlin und Kiew, Neuigkeiten zum Ukraine-Krieg und weiteres fügten sich in dieses Bild ein und ließen vorerst keinen Zweifel bei Giffey und ihren Mitarbeitenden aufkommen, wie der Spiegel erklärt.
Doch zu Beginn des Gespräches mit dem Mann, der wie Klitschko aussah, wie er redete und gestikulierte, hätte man hellhörig werden können. Obwohl der echte Klitschko über gute Englisch- und Deutschkenntnisse verfügt, wollte er das Gespräch auf Russisch führen. Auf Twitter erklärt Giffey, dass er jedoch auch eine Erklärung dafür parat hatte. Mit im Raum befänden sich auch andere Mitarbeitende ohne entsprechende Sprachkenntnisse, weswegen ein Gespräch auf Russisch für alle Seiten sinnvoller wäre.
Gesprächsabbruch: Diese Themen ließen Giffey den Fake-Klitschko vermuten
Erst im weiteren Verlauf des Video-Calls wurde Giffey irgendwann derartig unsicher, dass sie das Gespräch früher als geplant beendete (Spiegel berichtete ebenfalls). Als der Fake-Klitschko Ukrainer*innen kritisierte, die sich in Deutschland Sozialleistungen erschleichen würden und bat, Männer zurück an die Front ordern zu können, war ausreichend Zweifel gesät.
Im Anschluss kontaktierte Giffey die ukrainische Botschaft. Dort hatte man sich im Vorhinein auch viel über das geplante Telefonat letzten Freitag unterhalten. Allerdings vergaß man die Informationen mit Kiew direkt abzugleichen. Dies erfolgte nun im Nachhinein und es stellte sich heraus: Klitschko und seine Mitarbeitenden hatten keine Kenntnis von dem Video-Call. Giffey ist einem Betrüger aufgesessen.
Staatsschutz ermittelt – Deepfake-Verdacht
Der Staatsschutz, dessen Aufgabe es ist, gegen politisch motivierte Kriminalität zu ermittelt, ist in dieser Angelegenheit nun eingeschaltet. Derweil verkündet die Senatskanzlei Berlin auf Twitter: “Allem Anschein nach handelt es sich um einen Deep Fake.” Das Landeskriminalamt Berlin nimmt ebenfalls Ermittlungen auf.
Besonders alarmierend: Giffey ist nicht die erste, die auf den Deepfake-Klitschko hereingefallen ist. Auch in Madrid und Wien sei man dem Betrüger aufgesessen, wie der Spiegel berichtet. Während er spanische Bürgermeister José Luis Martinez-Almeida, genau wie Giffey, ebenfalls stutzig wird und den Video-Call vorzeitig beendet, erfährt der Wiener Amtskollege Michael Ludwig erst im Nachhinein vom Betrug.
Derweil zeigen Recherchen der Tagesschau, dass das Bildmaterial aus dem Video-Call zwischen Giffey und Fake-Klitschko aus einem vorangegangen Interview stammte. Sie gehen davon aus, dass anstelle eines Deepfakes ein schlau zusammengeschnittenes Interview für die Videoschalte verwendet wurde. Ob diese Theorie stimmt oder wirklich ein Deepfake dahinter steckte, klären nun die ermittelnden Behörden.
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Quellen: Spiegel, Bundeskriminalamt, Twitter / @RegBerlin, Twitter/ @FranziskaGiffey, Tagesschau
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