Die Digitalisierung stellt immer mehr Firmen in Deutschland vor Herausforderungen. Denn das Internet, künstliche Intelligenz und moderne Sensortechnik halten inzwischen Einzug in fast alle Lebensbereiche: Vom Auto bis zum Badezimmer. Und wer nicht rechtzeitig auf den Zug aufspringt, droht unter die Räder zu kommen. Viele Unternehmen sind deshalb dabei, sich neu zu erfinden.
Intelligenz bringt Profit
Beispiel Grohe: Der Armaturenhersteller aus Düsseldorf will sich nicht länger damit zufrieden geben, Wasserhähne und Duschen herzustellen, sondern will das Badezimmer digital aufrüsten. „Sie können sich entweder entscheiden, weiter nur die Hardware zu produzieren, und jemand anderes macht die Intelligenz und vielleicht den Profit, oder sie bringen die Intelligenz selbst in die Produkte und sind der Treiber“, meint Grohe Chef Michael Rauterkus.
Digitales Wasserschaden-Warnsystem
Unter strenger Geheimhaltung hat das Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren deshalb ein neuartiges Wasserschaden-Warnsystem entwickelt. Es kann nicht nur mittels Sensoren und eines eigens entwickelten Algorithmus austretendes Wasser registrieren und über eine App den Wohnungseigentümer alarmieren. Es kann auch im Schadensfall das Wasser direkt an der Hauptleitung abstellen. Auch kleinere Lecks und sogar drohende Wasserrohrbrüche soll das System erkennen.
Grohe habe vor zwei Jahren begonnen, sich über den Einstieg in digitale Technologien Gedanken zu machen, erzählt Rauterkus. Dabei sei dem Unternehmen aufgefallen, dass die Technologien rund um das Smart Home, das digitalisierte Haus, zwar schon ziemlich ausgereift gewesen seien, dass aber das Thema Wasser und vor allem Wasserschäden dabei zu kurz gekommen sei. „Für Grohe hat sich damit ein Supereinstieg in die digitale Welt eröffnet“, meint Rauterkus.
Keine Alternative zu Digitalisierung eigener Produkte
Für den Manager steht fest: Es gibt keine Alternative zum Sprung ins Abenteuer Digitalisierung. „Es nicht zu tun, ist keine Option. Das ist mit Sicherheit die Einbahnstraße in ein viel größeres Problem.“ Das Unternehmen habe heute einen „Ideenhorizont für sechs bis acht Jahre“.
Der Grohe-Chef steht nicht allein mit seiner Einschätzung. Auch der Autozulieferer Kiekert will sich nicht mehr länger mit der Herstellung von Autoschlössern zufrieden geben, auch wenn das Unternehmen in diesem Bereich weltweit nach eigenen Angaben inzwischen auf einen Marktanteil von rund 20 Prozent kommt.
Aufspringen in jedem noch so kleinen Bereich
Um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben, entwickelt das Unternehmen schon heute für das selbstfahrende Auto von morgen die „autonome Tür“. Kiekert-Chef Karl Krause ist überzeugt: „Wenn das selbstfahrende Auto kommt, erwartet man auch, dass sich die Tür von selbst öffnet und schließt.“ Die intelligente Fahrzeugtür soll den Besitzer erkennen, sich selbstständig öffnen, wenn er einsteigen will, und dabei auch darauf achten, dass Radfahrer nicht gefährdet werden und der Lack an der Tür nicht durch Poller beschädigt wird.
Von den Innovationen erhofft sich Kiekert in den nächsten Jahren einen kräftigen Wachstumsschub. Zum Ende des Jahrzehnts will der Konzern, der in diesem Jahr rund 880 Millionen Euro Umsatz erwartet, erstmals die Eine-Milliarde-Euro-Grenze durchstoßen.
E-Mobilität soll Wachstumsimpulse bringen
Auch der Autoleuchten-Spezialist Hella mit Sitz in Lippstadt in Nordrhein-Westfalen erwartet durch den Trend zur E-Mobilität und zum Autonomen Fahren in den nächsten Jahren kräftige Wachstumsimpulse aus Bereichen, die nicht mehr viel mit Scheinwerfern zu tun haben. Firmenchef Rolf Breidenbach setzt für künftiges Wachstum nicht zuletzt auf Radartechnologie und auf Kamerasoftware für autonome Fahrfunktionen.
Trotz Digitalisierung ist Anzahl innovativer Unternehmen zurückgegangen
Doch längst nicht überall wird so konsequent auf Zukunftstrends gesetzt. Im Gegenteil: Bei vielen kleineren deutschen Unternehmen ist der Innovationsmotor ins Stottern geraten. Nach einer Studie der staatlichen Förderbank KfW hat sich der Anteil der innovativen Unternehmen an der Gesamtzahl der mittelständischen Firmen seit 2004 nahezu halbiert – von 42 auf 22 Prozent. Die Forschungsausgaben konzentrierten sich immer mehr auf einzelne größere Unternehmen berichteten, die Forscher.
In den Augen von Grohe-Chef Rauterkus signalisieren Einschnitte bei den Forschungsausgaben auf Dauer nichts Gutes. „Ich glaube, wenn sie aufhören, in Innovationen zu investieren, dann dreht sich das Rad in die falsche Richtung. Sie fangen an, Marktanteile zu verlieren“, warnt der Manager.