Veröffentlicht inEntertainment

„Contra“-Star Nilam Farroq: So geht sie mit Alltagsrassismus um

In „Contra“ spielt Nilam Farooq eine junge Studentin, die mit Alltagsrassismus konfrontiert wird. Im Interview erzählt sie, welche eigenen Erfahrungen sie bereits gemacht hat und weshalb sie es „liebt“, die Konfrontation zu suchen.

Nilam Farooq spielt in "Contra" die Jura-Studentin Naima Hamid.. © © 2020 Constantin Film Verleih GmbH
Nilam Farooq spielt in "Contra" die Jura-Studentin Naima Hamid.. © © 2020 Constantin Film Verleih GmbH

Ab dem 28. Oktober sind Christoph Maria Herbst (55) und Nilam Farooq (32) in „Contra“ auf der Leinwand zu sehen. Die gesellschaftskritische Komödie basiert auf dem französischen Vorbild „Die brillante Mademoiselle Neila“ (2017). In der deutschen Fassung spielt Herbst den strengen Professor Richard Pohl. Bereits am ersten Tag der Erstsemestlerin Naima Hamid (Farooq) stellt dieser sie bloß, als sie den Vorlesungssaal zu spät betritt.

„In meinem Kulturkreis bedeutet Pünktlichkeit noch etwas“, ätzt Pohl gegen die junge Frau mit marokkanischen Wurzeln. Um nach seinen mehrfachen fremdenfeindlichen Auslassungen ein Disziplinarverfahren zu umgehen, erklärt sich der Jurist bereit, die Studentin auf einen Debattierwettbewerb vorzubereiten. Dabei prallen zwei Welten aufeinander. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht Nilam Farooq über ihre eigenen Erfahrungen mit Rassismus im Alltag. Die Schauspielerin wurde in Berlin als Tochter eines pakistanischen Vaters und einer polnischen Mutter geboren.

In „Contra“ spielen Sie die Studentin Naima Hamid, die von ihrem Professor rassistisch beleidigt wird. Haben Sie bereits Erfahrungen mit Alltagsrassismus machen müssen?

Nilam Farooq: Mit einer Art von Rassismus habe ich nicht zu knapp mein ganzes Leben lang Erfahrungen gesammelt. Aber mir ist erst jetzt im Zuge dieser ganzen Bewegung und Diskussion rund um „Black Lives Matter“ klargeworden, dass Alltagsrassismus das richtige Wort dafür ist. Davor habe ich immer nur gemerkt, dass manche Aussagen, die ich an den Kopf geknallt bekomme, sich irgendwie komisch anfühlen. Die grenzten mich irgendwie ab. Ich hatte keinen Namen dafür, aber das war damals schon Alltagsrassismus. Es wurde nur nicht so bezeichnet.

Das waren verschiedene Erfahrungen. Oft sind das tatsächlich leider – was es so schwierig macht – fast nett gemeinte Sachen. Ihr habt immer so schöne Namen. Ihr habt immer so volles Haar. Und dann sitze ich da und denke mir: Bekomme ich gerade ein Kompliment? Aber wer ist dieses ‚ihr‘? In welche Schublade werde ich gerade gesteckt? Sowas ist natürlich schwierig. Ich wusste dann immer: Irgendwas ist an dieser Aussage nicht cool, obwohl sie nett gemeint ist.

Wie reagieren Sie heute auf solche Situationen?

Farooq: Es kommt wirklich auf die Situation an, aber ich merke ja meistens, ob mir jemand eigentlich ein Kompliment machen möchte und sich einfach nur unglücklich ausdrückt – oder nicht. Ich bin mittlerweile dazu übergegangen, ehrlich nachzufragen. Ich sage: „Vielen Dank! Aber was heißt denn ‚ihr‘?“ Und daraufhin passiert es oft, dass die Menschen selbst merken, dass es eine blöde Formulierung war und sie sich korrigieren. Ich glaube, das bringt am meisten, weil es das größte Learning ist, wenn jemand es selbst bemerkt.

Durch die Black-Lives-Matter-Bewegung ist Rassismus zu einem wichtigen Thema geworden. Sollte Rassismus Ihrer Meinung nach noch mehr thematisiert werden?

Farooq: Ich hoffe sehr, dass es immer weiter thematisiert wird. Allerdings habe ich die Befürchtung, dass es nur ein Hype ist – und bald kommt schon der nächste Hype. Ich hoffe auch auf jeden Fall, dass das, was jetzt in Bewegung gesetzt wurde, schneeballmäßig wächst und nicht einfach verebbt.

In „Contra“ spielen sie neben Christoph Maria Herbst die Hauptrolle. Vor welche Herausforderungen hat Sie die Rolle gestellt?

Farooq: Der Film „Contra“ ist für mich eine wahnsinnige Ehre. Mein Charakter trägt im Grunde den ganzen Film und das ist schon mal eine Herausforderung. Was auch schwierig für mich war, war die Sprache. Meine Rolle Naima Hamid kommt aus einem bestimmten Milieu, in dem sie zwar bereits eine gehobene Sprache spricht, aber diese Sprache verbessert sich im Laufe des Films noch durch das Training mit dem Professor. Deshalb hatte ich ein Rhetorik-Coaching. Gerade meine Monologe und die vielen Texte waren eine ganz schöne Herausforderung.

Wie war es für Sie, an der Seite von Christoph Maria Herbst zu spielen?

Farooq: Das war total absurd für mich. Es war so toll. Ich hatte natürlich wahnsinnigen Respekt. Ich habe im Laufe meiner Karriere schon die Erfahrung gemacht, dass es manchmal sehr schwierig ist mit gestandenen Kollegen, weil sie den Neuen nicht die Chance einräumen. Christoph hat genau das Gegenteil gemacht. Er hat mich mit offenen Armen aufgefangen, war wie ein Mentor für mich. Ich habe viel von ihm gelernt. Christoph ist ein sehr schneller und schlauer Mensch. Es hat auf allen Ebenen funktioniert.

Vor allem die Art, wie er arbeitet, wie professionell er ist, hat mich begeistert. Tatsächlich habe ich in ihm eine Art Berater gefunden. Ich kann ihm auch jetzt noch schreiben, wenn irgendwas ist und ich seinen Rat dazu brauche, dann bekomme ich diesen immer ehrlich und ungefiltert.

Wie haben Sie sich auf den Dreh vorbereitet?

Farooq: Im Zuge der Recherche für den Film habe ich Debattier-Wettbewerbe besucht und war überrascht, wie viele Clubs es tatsächlich in Deutschland gibt. Ich denke, Debattieren ist eine gute Sache, die den Intellekt eines Menschen fördert. Dem sollte man noch viel mehr Aufmerksamkeit schenken.

Das hört sich so an, als wären Sie jemand, der Konflikten nicht abgeneigt ist…

Farooq: Ich liebe streiten. Das hört sich so an, als wäre ich ein böser Mensch, aber ich lebe für diese Hochgefühle. Das ist alles mal super dramatisch und dann versöhnt man sich wieder. Einem schönen Streit kann ich gut etwas abgewinnen. Dabei ist mir vor allem Respekt wichtig. Wenn einer anfängt, den anderen nachzuäffen und nicht ausreden lässt, sind das für mich Gürtellinien, die man nicht unterschreiten sollte. Ich finde es schön, wenn ich merke, es ist ein Streit auf Augenhöhe, der zivilisiert abläuft. Mir geht es beim Streiten nicht ums Gewinnen, sondern darum, sich dem anderen anzunähern. Ich bin nämlich gleichzeitig auch ein Harmonie-Mensch.

Ich gehe online oft auf Kommentare ein, auf die andere nicht eingehen würden. Ich bin schon immer so gewesen, dass ich mir denke: „So, jetzt erkläre ich meine Sicht und hoffe, du hörst mir zu und danach kannst du mir deine Sicht erklären.“

(sob/spot)

Du willst mehr von uns lesen? Folge uns auf Google News.