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„Der Palast“: Anja Kling über ihre Verantwortung als „DDR-Zeitzeugin“

Im Dreiteiler „Der Palast“ spielt Anja Kling die Mutter der Zwillinge, die in DDR-Zeiten getrennt wurden. Warum sie eine gewisse „Verantwortung“ für solche Stoffe fühlt, erklärt die Schauspielerin im Interview.

"Der Palast": Chris (Svenja Jung
"Der Palast": Chris (Svenja Jung

Im Dreiteiler „Der Palast“ (3., 4. und 5.1., 20:15 Uhr, ZDF) wird vor der glamourösen Kulisse des Berliner Friedrichstadt-Palastes in den Jahren 1988/89 eine deutsch-deutsche Familiengeschichte erzählt. Die DDR-Solotänzerin Chris Steffen (Svenja Jung, 28) steht plötzlich ihrer bis dahin unbekannten Zwillingsschwester Marlene Wenninger (Svenja Jung) aus West-Deutschland gegenüber. Beide versuchen, hinter das Familiengeheimnis zu kommen, was zu ihrer Trennung kurz vor dem Mauerbau 1961 führte…

Die in der damaligen DDR geborene Schauspielerin Anja Kling (51) spielt die Mutter der Zwillinge. Im Interview mit spot on news erzählt sie, warum sie sich in gewisser Weise verantwortlich fühlt, in Filmen, Serien oder Mehrteilern, die in der DDR-angesiedelt sind, mitzuspielen. Unter anderen verrät sie dabei auch, für welchen West-Musiker sie besonders schwärmte.

Was hat Sie an dem Dreiteiler „Der Palast“ besonders gereizt?

Anja Kling: Es ist eine spannende Zeitreise in ein Land, in dem ich mal gelebt habe, in dem ich groß geworden bin. Der Dreiteiler hat mich inhaltlich und thematisch interessiert.

Waren Sie vor den Dreharbeiten schon mal im Friedrichstadt-Palast?

Kling: Selbstverständlich war ich schon dort. Ich war 1986/87 Schülerin der Staatlichen Ballettschule Berlin. Das war noch zu tiefsten DDR-Zeiten. Während dieser Zeit gaben mir die Lehrerinnen und Trainer den Tipp, mein Augenmerk auf die Fächer Jazz und Modern zu lenken, weil man glaubte, mich nach meiner Ausbildungszeit eventuell zum Friedrichstadt-Palast schicken zu können.

Haben Sie das dann gemacht?

Kling: Ich habe die Tanzausbildung schlussendlich abgebrochen, weil ich mich eher mit Spitzenschuhen und einem Tutu gesehen habe, als mit Federn, Kopfputz und High Heels. Dennoch kannte ich mich in dieser Zeit sehr gut in der Tänzer-Szene aus. Auch weil mein damaliger Mann, mit dem ich zwei Kinder bekommen habe, Tänzer an der Staatsoper war. Mit unseren Kindern war ich fast bei jeder Friedrichstadt-Palast-Aufführung, weil ich als Zuschauerin wirklich ein großer Fan der Revue bin.

Würden Sie sagen, dass man durch den Dreiteiler „Der Palast“ einen ganz guten Einblick hinter die Kulissen bekommt? Trifft das, was da gezeigt wird, die Realität?

Kling: Ja, das trifft es auf jeden Fall. Die Revuen in unserem Film sind wirklich auch toll mit der Kamera eingefangen. Dazu die fabelhafte Musik. Und ich gebe zu, dass ich großen Respekt vor meiner Kollegin Svenja Jung habe, die ja nicht nur meine beiden Filmtöchter gespielt, sondern auch selber getanzt hat. Ich glaube, es mussten nur ganz wenige Szenen gedoubelt werden. Das ist schon eine große Leistung, Chapeau und Applaus!

Im „Palast“ wird eine „Doppeltes Lottchen“-Geschichte erzählt. Warum ist dieser Stoff so faszinierend, dass er immer wieder verfilmt wird?

Kling: Ich glaube, dass es eine Grundsehnsucht vieler Menschen ist, einen Zwilling zu finden, der genauso aussieht wie man selbst und mit dem man dann die Rollen tauschen und so in ein anderes Leben eintauchen kann. Ich habe mir auch immer einen Zwilling gewünscht, den ich überraschend treffe. Im „Palast“ kommt dann noch der historische Hintergrund hinzu, vor dem die Geschichte spielt. Unsere Zwillinge leben ja in unterschiedlichen Ländern und politischen Systemen und sind daher mit ganz unterschiedlichen Werten groß geworden. Vor diesem Hintergrund die Rollen zu tauschen, ist natürlich nochmal spannender.

Haben Sie schon mal eine Doppelrolle gespielt? Und wenn ja, ist das eine besonders schwere Disziplin für Schauspielerinnen und Schauspieler?

Kling: Ich habe in einer neuen Version von „Hänsel und Gretel“ mitgespielt und war die böse Hexe und deren gute Zwillingsschwester. Eine Doppelrolle zu spielen, ist auf jeden Fall eine besondere Herausforderung und ein besonderes Privileg. Es ist schon toll, wenn man mit einem Körper und einem Gesicht zwei Figuren auf einmal kreieren darf. Denn das ist ja genau das, was wir als Schauspieler gerne machen.

Spielen Sie eigentlich gerne in Filmen, Serien oder Mehrteilern mit, die in der DDR-angesiedelt sind?

Kling: Wenn ich es nicht mögen würde, würde ich es nicht machen. Es ist aber auch nicht so, dass ich nur Drehbücher haben möchte, in denen es um die DDR geht. Ich bekomme für solche Rollen oft Angebote, das gebe ich zu. Sicherlich auch, weil ich inzwischen sowas wie eine Zeitzeugin bin.

Besonders spannend fand ich diesmal, dass meine Mutter und mein Vater im Film auch DDR-Schauspieler sind, mit denen ich früher schon zusammengearbeitet habe. Mit Ursula Werner (78), die meine Mutter spielt, habe ich mit 17 Jahren meinen aller ersten Kinofilm „Grüne Hochzeit“ (1989) gedreht und auch da spielte sie meine Mutter. Ich war damals noch ein kleines Mädchen und sie schon eine große Film- und Theaterschauspielerin, die ich sehr bewundert habe. Danach hatten wir über 35 Jahre nichts miteinander zu tun, bis wir jetzt wieder als Mutter und Tochter vor der Kamera standen. Das war für mich eine Offenbarung und eine ganz großartige Begegnung. Dass Ursula Werner, Herman Beyer (78) und ich wirklich aus dem Osten kommen, hat der Sache, glaube ich, gutgetan, weil wir aus unseren Erfahrungen schöpfen konnten.

Hat sich Ihre Einstellung dazu verändert? Vielleicht hatten Sie am Anfang nicht so Lust auf solche Filme und mit der Zeit mehr, oder umgekehrt?

Kling: Doch, doch, doch, ich hatte immer schon Lust auf solche Filme. Für den Mehrteiler „Wir sind das Volk“ (2008) habe ich die meisten meiner Preise bekommen. Ich glaube, das liegt unter anderem daran, dass ich schon eine Art Verantwortung empfinde, für dieses Land, in dem ich groß geworden bin, was aber gescheitert ist in seiner Art und Weise des Führens und der Ausübung des Sozialismus – und das ist auch richtig so.

Ich möchte auf keinen Fall auch nur einen Tag zurück und bin froh, dass die Mauer nicht mehr steht. Dennoch wird vieles oft falsch dargestellt. Nicht wenige Menschen, die nicht in unmittelbarer Nähe zu Berlin gewohnt haben, haben gedacht, dass im Ostern alle sächseln und bei der Stasi waren. Und dass jeder, der bei der Stasi war, auch ein böser Mensch war und so weiter. In diesem Zusammenhang fühle ich schon eine gewisse Verantwortung, mit solchen Vorurteilen und Pauschalisierungen etwas aufzuräumen.

Im „Palast“ wird im Osten von David Bowie, den Rolling Stones und Nenas „99 Luftballons“ geträumt. Gab es Musiker oder eine Band aus dem Westen, die Sie selbst besonders interessant fanden?

Kling: Nena-Fan war ich schon auch. Aber ich glaube, ich war Mitte der 1980er Jahre der allergrößte Udo-Lindenberg-Fan, den es gab. In seinen Liedern hat er oft den Osten besungen, deshalb habe ich mich immer sehr angesprochen gefühlt. Ich war mir sicher, mit „Mädchen aus Ostberlin“ (1973) kann er eigentlich nur mich meinen. Udo-Lindenberg-Fan bin ich übrigens immer noch.

„Der Palast“ macht so richtig Lust auf Theater, Revue und andere kulturelle Vorstellungen – gerade jetzt in Corona-Zeiten…

Kling: Ich würde mal behaupten, dass der Film auch ohne Corona dieselbe Lust hervorgerufen hätte. Die Menschen sind jetzt aber natürlich besonders ausgehungert, und wollen in Revuen, Theater, Kino und andere Veranstaltungen. Das kann ich komplett nachvollziehen und ich hoffe für die Veranstaltungsbranche, dass sich alle Beteiligten erholen.

Es sind so viele Existenzen kaputtgegangen in dieser Zeit. Da sind wir Filmschauspieler wirklich privilegiert, weil wir zwar unter erschwerten Bedingungen arbeiten müssen, aber immerhin dürfen wir arbeiten. Viele Schauspieler, die nicht vor der Kamera stehen oder andere Menschen aus der Veranstaltungsbranche, nicht. Insofern hoffe ich, dass es bald wieder so richtig losgeht…

(ili/spot)

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