Sieht man sich die Rangliste der meistverkauften Computerspiele in Deutschland an, findet man dort regelmäßig die aktuelle Version des „Landwirtschafts-Simulators“. Statt Ballern ist seit einigen Jahren Pflügen, Säen und Ernten angesagt. Verantwortlich dafür ist das relativ kleine Schweizer Studio Giants Software, das seit 2008 am Simulator arbeitet.
Verkaufszahlen sprengen Rekorde
„Wir wussten ja, dass Landwirtschaft ein starkes Thema ist, das viele Menschen interessiert, ähnlich wie Feuerwehr, Polizei, Züge oder Flugzeuge. Dass es so erfolgreich ist, konnte glaub ich niemand absehen“, so Daniella Wallau, Senior PR Manager bei Astragon. Das deutsche Unternehmen vertreibt den Agrar-Simulator seit 2008 weltweit und hat sich mittlerweile auf derartige Titel spezialisiert. Sei es nun Bauunternehmer, Zugführer, Feuerwehrmann, Polizist oder gar Busfahrer – mittlerweile deckt man die beliebtesten Berufsgruppen ab.
Doch die meisten wollen offenbar dennoch Landwirt werden. Die neueste Version des „Landwirtschafts-Simulators“ sprengte alle Rekorde, in einer Woche wurden mehr als 200.000 Exemplare verkauft. Auch dieses Jahr wurden in Deutschland 500.000 Stück abgesetzt.
Vor allem bei Männern beliebt
Laut dem deutschen Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) würden regelmäßig Spieler stundenlang „Großstadttristesse, Büroalltag und Arbeitsstress“ damit zurücklassen. Eine Interpretation, die auch Astragon bestätigt: „Es ist unheimlich entspannend. Gerade wenn man einen hektischen Tag hat oder viel unterwegs ist und dann einfach den Mähdrescher seine Kreise ziehen lässt, wirkt das entschleunigend.“
Einen typischen Spieler gibt es nicht, laut Astragon ist „vom Kind bis zum Greis“ alles dabei, der Titel scheint aber vorwiegend bei Männern beliebt zu sein. Man werde aber auch von Frauen gespielt, wie Wallau einwirft. Der Anteil an echten Landwirten, die auch auf dem Computer oder der Spielkonsole ihren Aufgaben nachgehen, ist mit rund 10 bis 15 Prozent relativ gering. Auch Kinder lernen oftmals über derartige Simulationen erstmals Berufe kennen. Während LKW-begeisterte Kinder früher höchstens mit Spielzeug den Traum vom Trucker leben konnten, können sie heute mit Spielen wie dem „Euro Truck Simulator“ bereits mit zehn Jahren das Steuer übernehmen.
Maschinen realitätstreu nachgebaut
Warum derartige Simulationen so große Erfolge feiern, bleibt unklar. So werden immer wieder Kindheitserinnerungen an Besuche auf dem Bauernhof sowie die Faszination an den Maschinen als mögliche Gründe genannt. Ohnedies gibt es wohl keine bessere Alternative, um den Originalen näher zu kommen. Die Maschinen und Fahrzeuge im Spiel sind realitätsgetreue Nachbauten.
„Die Entwicklerteams arbeiten sehr eng mit den Herstellern zusammen und haben die CAD-Daten der Maschinen, sodass diese 1:1 nachgebildet werden können. Für den Firefighter Simulator arbeiten wir beispielsweise mit Rosenbauer zusammen.“ Die Popularität dieser Spiele sorgt mittlerweile dafür, dass die Hersteller aktiv auf die Entwickler zugehen, um sicherzugehen, dass ihre neuen Maschinen im Spiel enthalten sind.
Nicht nur für Hobby-Landwirte
Und auch die sogenannte Modding-Community ist besonders aktiv und liefert laufend neue Inhalte, die zum Weiterspielen ermutigen. Auch bei den Polizei- und Feuerwehr-Simulatoren habe man eine besonders aktive Gemeinschaft, die sich bei jedem Entwicklungsschritt zu Wort meldet. Weltweit sehr beliebt sei der „Construction Simulator“, in dem man verschiedene Maschinen auf einer Baustelle steuert.
Der junge Indie-Game-Entwickler Stillalive Studios mit Sitz im österreichischen Innsbruck, hat für Astragon den „Bus-Simulator 16“ entwickelt, der mehr als 100.000 Mal verkauft wurde. Nun arbeitet das Studio am Nachfolger, der kommendes Jahr für den PC erscheinen soll. Darin können bis zu vier Spieler gemeinsam mit echten Bussen von Mercedes-Benz, MAN oder IVECO durch virtuelle Städte fahren.
Intensive Recherche
Für Stillalive Studios, das mit dem Action-Adventure „Son of Nor“ bekannt wurde, eine ungewohnte Umgebung, für die man intensive Recherche betreiben musste. „Wir haben echte Busfahrer als Berater“, erklärt Alexander Grenus, Game Designer bei Stillalive Studios. „Diese stammen aus unterschiedlichen Städten. Auch bei Stadt- und Verkehrsplanung, Verkehrsregeln, Baubestimmungen für Straßen und Gehsteige haben wir intensiv recherchiert.“
Über den starken Austausch mit der Community freut sich Grenus. „Wir lesen so ziemlich jede Nachricht, die wir bekommen. Ich persönlich freue mich fast mehr über konstruktives Feedback als über eine rein positive Bewertung.“ Viele der Wünsche beim „Bus-Simulator 16“ wurden umgesetzt und als kostenlose Erweiterungen nachgereicht. Bei der neuen Version will man den Spielern mehr Freiheiten für das Modding und größere Spielwelten bieten. „Ich habe sogar meinen Busfahrer, mit dem ich nach Wien fahre, mit Fragen gelöchert“, sagt Grenus
Kritik wegen zu wenig Brutalität
Doch obwohl derartige Simulatoren vollkommen gewaltfrei auskommen, sind auch diese nicht vor Kritik sicher. Die Tierschutzorganisation PETA forderte den Entwickler des Landwirtschafts-Simulators dazu auf, die Schlachtung von Schweinen brutal darzustellen, um auf die schlechten Bedingungen auf vielen Schlachthöfen hinzuweisen. „Es ist so, dass Viehzucht zur Landwirtschaft dazugehört. Es wäre seltsam, die nicht drin zu haben“, erklärt Wallau.
„Man kann Tiere bei uns nicht schlachten, man kann sie auch nicht misshandeln. Wenn man sich anschaut, wie die Viehzucht im Landwirtschafts-Simulator vonstatten geht, ist das quasi ein Bio-Bauernhof mit Freilandhaltung. Wir können da an der Darstellung nicht einmal so viel verbessern, außer es ganz raus zu lassen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf futurezone.at.