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Quantic Dream COO: „Die Schwierigkeit findet im Kopf statt“

Mit dem interaktiven PlayStation-Spiel „Heavy Rain“ wurde Quantic Dream weltbekannt. Wir sprechen mit mit COO Guillaume de Fondaumière über die Zukunft und „Detroit“.

Guillaum de Fondamiere
Guillaum de Fondamiere ist COO von Quantic Dream

Quantic Dream gilt als einer der erfolgreichsten Videospiel-Entwickler Frankreichs. Titel wie “Heavy Rain” und “Beyond Two Souls” verkauften sich millionenfach und sorgten für heftige Debatten in der Gaming-Community. Denn während die Inszenierung perfekt war – in “Beyond Two Souls” übernahmen unter anderem Hollywood-Stars Ellen Page und Willem Dafoe die Hauptrollen – wurde die recht simple Spielmechanik von erfahrenen Spielern kritisiert. Doch davon lässt sich Guillaume de Fondaumière, COO von Quantic Dream, nicht beirren. Gemeinsam mit Gründer David Cage leitet er das Unternehmen, mit interaktiven Spielen beschäftigt er sich bereits seit fast 25 Jahren. Bereits 1993, im Alter von 22 Jahren, gründete er das Studio Arxel Tribe, das mehrere Jahre lang den Fokus auf interaktive Videospiele legte.

Servas, wie geht’s?“, sagt der mittlerweile 45-Jährige zur Begrüßung. Wer nicht weiß, dass de Fondaumière eigentlich gebürtiger Franzose ist, könnte den CEO des Studios Quantic Dream ebenso gut für einen Wiener halten. De Fondaumière wurde zwar in Marseille geboren, wegen seines Vaters, der ein UNO-Diplomat war, zog er aber im Alter von acht Jahren nach Wien. Dort besuchte er das Lycée Français und lebte insgesamt elf Jahre.

„Die wichtigen Jahre“, wie er mit einem Augenzwinkern im Gespräch mit der futurezone betont. Er sieht Wien als seine „zweite Heimat“ und „jene Stadt, in der ich mich am wohlsten fühle“. Deswegen ist er auch immer wieder hierzulande anzutreffen, zuletzt auf der Game City im Rathaus, wo er mit „Detroit“ den neuesten Titel von Quantic Dream präsentierte. In „Detroit“ schlüpft der Spieler in die Rolle von drei Androiden, die gegen die Versklavung durch Menschen rebellieren und frei leben wollen.

Die futurezone hat sich auf der Game City mit de Fondaumière getroffen, um mit ihm über den Aufstieg der künstlichen Intelligenz, den Schwierigkeitsgrad in Videospielen und die kaum wahrgenommene österreichische Gaming-Branche zu sprechen.

futurezone: Der große Erfolg der Tech-Demo „Kara“ hat ja erst dafür gesorgt, dass „Detroit“ entwickelt wurde. Gab es damals schon Überlegungen, dass daraus mal ein vollwertiges Spiel werden könnte?

Guillaume de Fondaumière: Absolut nicht. Diese Prototypen und Kurzfilme machen wir immer am Anfang eines Projektes, wenn David Cage (Anm.: Autor und Regisseur bei Quantic Dream) noch nicht einmal eine Geschichte geschrieben hat. Wir wollen aber immer verschiedene Sachen ausprobieren, damit wir da einen neuen Maßstab setzen können, beispielsweise bei der Grafik. Wir gehen da immer den gleichen Prozess durch, bei dem David einen Kurzfilm schreibt und wir dann dafür einen Prototypen entwickeln. Daraus entsteht dann ein Video.

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Genau das haben wir auch bei Kara gemacht. Ein Jahr nachdem wir den Prototypen gebaut haben, hat uns Sony kontaktiert und gefragt, ob wir das Video nicht öffentlich auf der GDC zeigen wollen. Wir fanden es natürlich schon sehr gut, aber wir waren sehr überrascht, dass es so populär wurde. Die Spieler haben uns immer wieder gefragt, was mit Kara nach der Fabrik passiert. Als wir dann am Ende der Entwicklung von „Beyond“ angelangt waren, haben wir uns überlegt, vielleicht wollen wir diese Geschichte erzählen.

Warum glauben Sie, dass ausgerechnet jetzt so viele Menschen von diesen Themen fasziniert sind?
Das Thema ist ja nicht unbedingt neu, wenn man sich „Blade Runner“ oder „Westworld“ (Anm.: Der Original-Film wurde bereits 1973 veröffentlicht) ansieht. Was sich aber mittlerweile verändert hat, ist, dass es die Menschheit heute als greifbar ansieht.

Wir wissen noch nicht wann das Wirklichkeit wird, aber wir wissen, es kommt. Man sieht ja auch, dass sich Prominente, Forscher und Politiker wie Elon Musk oder Bill Gates damit beginnen, sich dazu Gedanken zu machen. Und ich denke, dass wir mit „Kara“ auch ein bisschen dazu beigetragen haben.

Im Spiel schlüpft man ja ausschließlich in die Rolle der Androiden. Wird da dieser Konflikt nicht etwas einseitig dargestellt?
Die Geschichte ist ja mittlerweile fertig und wir finden nicht, dass wir den Spieler da eine Ecke drängen. Wir wollen dem Spieler eine klare Frage stellen: Was passiert, wenn menschenartige Androiden sowohl die Intelligenz als auch die Gefühle haben, die der Menschheit ähneln? Werden es die Androiden akzeptieren, weiter für ihre „Meister“ zu arbeiten oder werden sie ihre Position in der Gesellschaft hinterfragen?

Und was passiert mit den Menschen? Wollen sie die Androiden unterdrücken oder diese als ihresgleichen ansehen? Wir stellen all diese Fragen und wir geben dem Spieler die Möglichkeit, diese Fragen so zu beantworten, wie sie es wollen. Als wir uns selbst diese Fragen gestellt haben, haben wir festgestellt, dass man nicht immer mit Schwarz oder Weiß, Ja oder Nein, antworten kann. Deswegen gibt es auch so viele verschiedene Enden.

Wie viele Enden werden das denn genau sein? Bei „Beyond“ gab es ja bereits elf verschiedene Enden.
Ich weiß es nicht. Wir haben im Spiel 250 Charaktere. Sehr viele von diesen Charakteren können den Spieler bis zum Ende begleiten oder davor sterben oder nicht mehr auftauchen. Auch die drei Hauptcharaktere können alle sterben oder überleben.

Dann ist das Spiel aber auch vorbei?
Ja, aber das kann nicht nach einer Stunde passieren.

Es gab ja immer den Vorwurf, dass es kein richtiges „Game Over“ in Spielen von Quantic Dream gibt. Ist das eine Art Kompromiss?
Ich sehe das als etwas Positives. Es fordert uns jedes Mal heraus, die Entscheidungen des Spielers konsequent zu planen, ihm aber nie sagen zu müssen „Du hast das nicht richtig gemacht, bitte wiederhole es noch einmal.“

Bei der Geiselnahme-Szene zeigt mir das Spiel aber auch an, wie viel ich über die Situation weiß und spornt mich dazu an, die Umgebung stärker zu erkunden. Das gab es bisher nicht. Was war die Idee dahinter?
Die ist ganz simpel. Das ist ein Feature, das nur Connor hat, weil er so programmiert ist. Er ist ein Prototyp, der für wissenschaftliche Polizeiarbeit gebaut worden ist und er analysiert ständig. Diese Zahl gibt aber nicht die Wahrscheinlichkeit an, dass der Spieler das Kind retten wird, sondern gibt einfach die Prognose von Connor an. Wir haben das bewusst gemacht, weil Connor einfach mehr wissen muss, um das zu schaffen, nicht der Spieler. Man kann es aber auch mit einer 25-prozentigen Prognose schaffen.

Oftmals wird gesagt, Spiele von Quantic Dream wären storylastig und relativ einfach. Muss ein Spiel eine Herausforderung darstellen, damit es gut ist?
Ich glaube nicht. Manche Spiele müssen schwierig sein, da die Mechanik darauf basiert, weil man beispielsweise einen Charakter oder ein Auto in der Zehntelsekunde genau kontrolliert. In dieser Kategorie macht es vollkommen Sinn, dass es präzise sein muss. Bei unseren Spielen ist es anders. Die Schwierigkeit findet im Kopf statt, man muss schnell analysieren. In der Geisel-Szene muss man beispielsweise schnell eine Entscheidung treffen, um die Geisel retten zu können. Das wäre auch bei einer realen Situation der Fall. Wir versuchen im Gameplay diesen Stress an den Spieler weiterzugeben.

Wir müssen es aber auch nicht unnötig kompliziert machen, beispielsweise dass man eine besonders komplizierte Tastenkombination drücken muss, um eine Entscheidung zu treffen. Eine Taste genügt, es geht darum, dass man das Richtige sagt. Wir haben aber trotzdem verschiedene Schwierigkeitsgrade, weil wir wissen, dass Spieler den Controller unterschiedlich gut beherrschen. Das bemerkt man dann beispielsweise in Kampfsequenzen. Da machen Schwierigkeitsgrade auch einen Sinn.

Inwieweit haben sich die Spielmechaniken im Vergleich zu den Vorgängern verändert?
Wir machen sehr viele Tests während der Entwicklung mit Spielern – mit Hardcore-Gamern, aber auch mit „Nicht-Spielern“. Der Controller soll kein Hindernis sein, der Spieler soll in die Rolle der Charaktere schlüpfen können. Jede Szene ist aber anders, das macht unsere Spiele so besonders. Während die Geisel-Szene mit Connor sehr stark an „Heavy Rain“ erinnert, spielen sich „Capital Park“ und andere Szenen deutlich anders. Die drei Charaktere haben auch unterschiedliche Features und es gibt deutlich mehr Vielfalt als in „Heavy Rain“ oder „Beyond“.

Gibt es auch Experimente mit anderen Eingabemethoden? Für „Heavy Rain“ gab es später ja auch PlayStation-Move-Unterstützung? Wie sieht es zum Beispiel mit PlayStation VR aus?
Wir sind sehr daran interessiert. Mehr kann ich dazu leider nicht sagen.

„Heavy Rain“ war ja damals ein ziemlich großer Verkaufserfolg, dennoch hat kaum jemand das Konzept dahinter kopiert.
Ich denke schon, wenn man sich „Until Dawn“ oder die Spiele von Telltale Games ansieht. Telltale sagt auch immer, dass sie sehr stark von „Heavy Rain“ beeinflusst wurden. Es gibt schon mehr und mehr Entwickler, die sich derartigen Spielen annehmen. Ich glaube auch, dass wir einen kleinen Einfluss auf andere Spiele hatten. Seit „Heavy Rain“ veröffentlicht wurde, hat Geschichte vielleicht etwas mehr Gewicht in Videospielen und ich empfinde das als ziemlich wichtig.

Warum kam ausgerechnet mit „Heavy Rain“ der Durchbruch? Der Vorgänger „Fahrenheit“ war ja bereits relativ ähnlich.
„Fahrenheit“ war ganz klar ein erster Versuch von uns. Es ist wirklich sehr schwierig, eine Geschichte interaktiv zu machen. Wir haben mit „Fahrenheit“ gezeigt, dass das funktioniert, aber es auch verfeinern muss. „Heavy Rain“ war meiner Meinung nach das erste Spiel, das ausreichend verfeinert war, dass es ein breiteres Publikum ansprechen konnte.

Sie waren ja auch lange Vorsitzender der European Games Developer Federation (EGDF) und sind in vielen europäischen Entwickler-Organisationen tätig. Wird die österreichische Games-Branche im Ausland wahrgenommen?
Ja, schon. Ich würde fast sagen, seit einiger Zeit schon. Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als es noch JoWood als Publisher und Take 2 Vienna (Anm.: Rockstar Vienna) gab. Österreich ist im Entwicklerbereich schon bekannt. In den letzten Jahren haben es vielleicht nicht so viele Entwickler an die Spitze geschafft, aber es ist ein schwieriger Markt, die Konkurrenz ist ziemlich groß.

Ich glaube alle Länder in Europa haben irgendwann einmal Schwierigkeiten gehabt, auch wir in Frankreich. Anfang der 2000er Jahre gab es eine riesige Krise, wir haben die Hälfte unserer Jobs verloren. Erst 2010 gab es wieder einen Aufschwung. Ich denke aber, dass man den Fokus auf Europa als Region für Entwickler legen sollte und da ist man klar im Aufschwung.

Müssen wir auf das nächste Spiel von Quantic Dream wieder vier bis fünf Jahre warten?
Wir haben noch gar keine Ahnung, was wir nach Detroit machen. Wir sind 150 Prozent auf Detroit konzentriert, die Überlegungen beginnen erst im nächsten Jahr. Komplexe, interaktive Spiele zu machen braucht eben seine Zeit und das sind meist zwei bis drei Jahre. Die meisten Leute wissen ja nicht, dass auch bei „Call of Duty“, von dem jedes Jahr ein Nachfolger erscheint, immer ein anderes Studio daran arbeitet.

Dieses Interview erschien zuerst auf futurezone.at

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