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Nicht nur irgendwas mit Lichtschwert: Das Augmented Reality-Spiel Star Wars Jedi Challenges im Test

Der neue Star Wars-Film startet am Donnerstag. Unser Kollege hat dazu für euch etwas ausprobiert: die Lenovos Jedi Challenges fürs Smartphone. Und wäre das Headset besser, würde er Lenovo vermutlich mit Geld bewerfen.

Kollege mit AR-Headset
Man sieht dem Kollegen an

Wenn man den Durchschnitts-Geek fragt, welches Virtual-Reality-Game er oder sie sich am meisten wünscht, wird in 90 Prozent der Fälle die Antwort kommen: „Irgendwas mit Lichtschwert wär cool“. Lenovo hat mit Star Wars Jedi Challenges (300 Euro) nicht nur „irgendwas mit Lichtschwert“ gemacht, sondern ein dediziertes Hardware-Set, das das bislang beste Lichtschwertkampf-Erlebnis bietet – auch wenn es nicht frei von Fehlern ist.

Ich habe es getestet und Darth Vader in seine Schranken verwiesen. Das Set besteht aus drei Komponenten: Headset, Lichtschwert-Controller und Beacon. Controller und Beacon leuchten, damit die Kameras im Headset deren Positionen erfassen können. Headset und Controller haben einen Akku, der per Micro-USB-Kabel aufgeladen wird. Der Beacon funktioniert mit handelsüblichen AA-Batterien.

Anakins Lichtschwert

Der Controller ist dem Lichtschwert von Anakin Skywalker nachempfunden, das auch das Lichtschwert von Rey in Star Wars 7 und 8 ist. Es ist auch Rey, die man in der „Handlung“ der Jedi Challenges verkörpert: Es ist ein Trainingsprogramm, das sie zum Jedi machen soll. Der Controller ist aus Plastik, ein paar Aluminium-Teile hätten ihm gutgetan. Dafür ist die Größe nahezu originalgetreu, was mich positiv überrascht hat. Das heißt aber auch, dass das Lichtschwert für User mit zarteren Händen, aufgrund des Durchmessers, eher schwierig zu halten sein könnte. Kinder werden sich damit plagen – sie sollten aber ohnehin keine VR/AR-Headsets benutzen.

Headset: Auf dem Samsung besser als auf dem Huawei

Wie bei Samsungs Gear VR und ähnlichen Headsets, muss auch hier ein Smartphone eingelegt werden. Der Unterschied ist, dass Jedi Challenges ein Augmented-Reality- anstatt ein Virtual-Reality-Headset ist. Damit die computergenerierten Inhalte in der realen Welt angezeigt werden, nutzt Lenovo Spiegel und halbtransparentes Glas. Das Smartphone wird flach in eine Plastikhalterung eingelegt, seitlich ins Headset geschoben und per mitgeliefertem Kabel damit verbunden. Diese Plastikhalterung wirkt fragil, erfüllte im Test aber mit mehreren getesteten Smartphones ihren Zweck.

Das Headset ist zwar für mehrere Smartphones geeignet, aber nicht für alle. Auf der Website von Lenovo ist eine Liste der kompatiblen Smartphones. Hat man ein Handy, das zwar in die Halterung passt aber offiziell nicht unterstützt wird, kann das Profil eines anderen Smartphones gewählt werden. Dazu wird am Display ein Rahmen angezeigt, der möglichst genau ist die Aussparung der Halterung passen sollte. Es wird immer nur ein Teil des Smartphone-Displays genutzt. Ein größeres Smartphone zu nutzen hat also keinen Vorteil – wichtiger ist ein kontraststarkes Display mit hoher Helligkeit. Im Test sah Jedi Challenges am Galaxy S8+ deshalb besser aus als auf einem Huawei P10.

Sichtfeld beeinträchtigt

Das Headset ist nicht sonderlich bequem. Das Bänder-Dreieck sollte dafür sorgen, dass es fest am Kopf anliegt und nicht verrutscht, ähnlich wie bei Oculus Rift. Material und Größe verhindern aber den festen Halt. Stellt man die Bänder enger, rutscht das Dreieck am Hinterkopf nach oben. Stellt man es lockerer, rutscht das Headset vorne runter und der Schaumstoff liegt nicht mehr am Jochbein auf, sondern drückt seitlich auf die Nasenlöcher.

Abgesehen vom Komfort-Verlust wirkt es sich auf das Spiel nicht negativ aus, da das Sichtfeld konstruktionsbedingt ohnehin klein ist. Das ist auch die größte Schwäche der Hardware. Das Sichtfeld ist merkbar kleiner als bei Oculus Rift, HTC Vive und Gear VR, weshalb ich beim Testen manchmal das Gefühl hatte durch einen Tunnel zu schauen – oder durch einen tragbaren Scanner, der getarnte Feinde sichtbar macht.

Jedi-Prüfungen: Tower Defense und Holo-Schach nichts fürs Weihnachtsbudget

Bevor es losgehen kann, muss noch die App (iOS und Android) heruntergeladen und aktualisiert werden. Am Smartphone benötigt diese ca. 800 MB Speicher. Die Jedi-Prüfungen bestehen aus drei verschiedenen Spielen: Lichtschwertkampf, ein Tower-Defense-Spiel und Holo Schach. Diese müssen auf sechs Planeten absolviert werden. Jeder Planet entspricht thematisch einem anderen Star-Wars-Film. Pro Spiel auf jedem Planeten gibt es drei Levels, die im Schwierigkeitsgrad ansteigend sind.

Beim Tower-Defense-Spiel werden aus der Vogelperspektive Verteidigungseinheiten platziert. Die Steuerung ist eine Mischung aus Ansehen zum Anvisieren und Drücken der Tasten auf dem Lichtschwert-Controller. Dieses Bedienkonzept ist holprig, das Hinschauen um den Cursor zu platzieren ist nicht intuitiv und unpräzise. Eine Steuerung des Cursors mit dem Lichtschwert-Controller wäre besser gewesen, ähnlich wie bei Strategiespielen für HTC Vive. Holo Schach bietet genau den Nervenkitzel, den man dahinter vermutet. Nett gemeint, aber nur ein unspektakuläres, rundenbasierendes Mini-Strategiespiel. Immerhin kann man nicht sagen, dass sich Lenovo nicht bemüht hat: Sowohl bei Holo Schach als auch dem Tower-Defense-Spiel werden neue Einheiten freigeschaltet und auf jedem Planeten neue Umgebungen/Gegner geboten, sodass man als Star-Wars-Fan eine Motivation hat, weiter zu spielen – auch wenn es nicht immer Spaß macht.

Jedi-Prüfungen: Lichtschwertkämpfe sind kompliziert

Das ist der Grund, warum es die Jedi Challenges gibt und wieso man trotz überstrapaziertem Weihnachtsbudget versucht ist, trotzdem weitere 300 Euro auszugeben. Es beginnt schon mit dem „Einschalten“ des Lichtschwerts. Man blickt nach unten auf den Controller und drückt die Aktivierungstaste. Das Lichtschwert vibriert und die „Laserklinge“ wird über der Spitze des Controllers in der Augmented Reality eingeblendet. Das ist nicht nur ein cooler Effekt, sondern verhindert auch Kollateralschäden: Würde man mit einem physischen, ein Meter langen Lichtschwert herumfuchteln, könnten das Wohnzimmer, Zuschauer oder man selbst darunter leiden.

Wichtig ist, dass beim ersten Einschalten der Lichtschwert-Controller möglichst genau über der eingeblendeten Schablone gehalten wird, damit die Laserklinge tatsächlich über der Spitze des Lichtschwert-Controllers angezeigt wird. Sollte sich die Klinge in der Hitze des Gefechts einmal verbiegen (sie geht dann leicht schräg vom Griff weg), wird sie durch ein Drücken der schwarzen Taste am Controller wieder begradigt.

Kein echtes 360-Grad-Erlebnis

In den ersten zwei Levels jedes Planetens wird gegen das Kanonenfutter gekämpft. Auf Naboo sind es die Droiden der Handelsföderation, später sind es Sturmtruppler, Schneetruppler und Sturmtruppen der Ersten Ordnung. Am meisten Spaß macht der Kampf gegen die Droiden. Hier sehen die Gegner-Variationen am unterschiedlichsten aus, die dummen Droiden-Sprüche sorgen für ein Schmunzeln und man kann die Roboter spalten – wenn auch mit einer kleinen Verzögerung zwischen ausgeführtem Schlag und wegfliegenden Robo-Gliedmaßen, Köpfen oder halbierten Torsos. Sturmtruppler lassen sich leider nicht spalten, dafür gibt es aber die Verzögerung nicht.

In den späteren Levels ist das Abwehren und Zurücklenken der feindlichen Blasterschüsse das Um und Auf. Es reicht nicht bloß das Hinhalten des Lichtschwerts zum Blocken. Man muss tatsächlich das Schwert schwingen, um die Schüsse zum Schützen zurückzulenken. Richtig lustig wird es, wenn mehrere Feinde das Feuer eröffnen, es hektisch wird und man trotzdem gekonnt – mit Jedi-gleichen Reflexen – die Schüsse in verschiedene Richtungen zurückschlägt. Ein echtes 360-Grad-Erlebnis, wie bei HTC Vive, ist es aber nicht. Die Kameras an der Front des Headsets müssen den Beacon am Boden erfassen, weshalb die Action beim Lichtschwertkampf in etwa 150 Grad vor dem Spieler stattfindet.

Das Darth Vader-Duell: Ein Workout

Nach den zwei Levels gegen das Fußvolk wartet auf jedem Planeten ein Endgegner, den es im Duell zu besiegen gibt. Das ist das Highlight des Lichtschwertkampfes. Eine gelbe Linie zeigt, wie man das Lichtschwert zum Blocken halten muss. Gezielte Konter-Hiebe (wird ebenfalls durch einen Hilfspunkt angezeigt) starten eine Möglichkeit kräftige Attacken anzubringen, bei denen das Lichtschwert, möglichst stark, in die richtige Richtung geschwungen werden muss (auch hierfür gibt es eine Hilfslinie).

Der erste Kampf gegen Darth Maul ist noch entspannt, dann wird es auf den anderen Planeten laufend schwerer. Erst gilt es mehr und komplexere Angriffe zu blocken. Dann wird man nebenbei beschossen, hat es mit dem drehenden Inquisitoren-Lichtschwert zu tun und muss nach links, rechts oder unten ausweichen, um nicht von Darth Vader besiegt zu werden. Das Ganze macht extrem viel Spaß, da die Lichtschwert-Bewegungen den Kampfchoreographien aus den Filmen nachempfunden sind. Zusätzlich vibriert der Lichtschwert-Controller, etwa wenn die Klingen beim Blocken aufeinandertreffen.

Das Spielen kann auch körperlich anstrengend werden, speziell wenn das Ausweichen erforderlich ist. Hier reicht nicht bloß ein Lehnen zur Seite und leichtes In-die-Knie-gehen: Ich musste tatsächlich einen Satz zur Seite und eine tiefe Kniebeuge machen, um auszuweichen. Dass solch großen Bewegungen nötig sind, hat mich etwas überrascht, weswegen Darth Vader erst beim fünften Versuch besiegt wurde.

Spielfeld: Ein statischer Jedi

Durch die großen Ausweichbewegungen sollte das Spielfeld entsprechend groß sein. Denn durch das AR-Headset sieht man zwar die reale Umgebung und Hindernisse und Personen vor einem, springt man aber schnell zur Seite ohne sich umzusehen, landet man im besten Fall auf der Couch und um schlechtesten Fall auf dem Flat-TV. Lenovo empfiehlt eine freie Fläche von 1,5 x 3 Meter und einen Abstand von 1,2 Meter zum Beacon. Die Fläche, in der man sich als Spieler aufhalten soll, ist am Boden markiert. Leider ist diese eher klein.

Auch ist ein Herumgehen des Spielers beziehungsweise ein Zugehen auf den Feind nicht vorgesehen. Abgesehen von den Ausweich-Bewegungen ist man ein sehr statischer Jedi, obwohl es sich mit dem kabelfreien AR-Headset anbieten würde, ein etwas mobileres Spieleerlebnis zu machen.

Hat man sich durch die sechs Planeten durchgekämpft, gibt es noch zwei höhere Schwierigkeitsgrade zu meistern. Mit den freischaltbaren aktiven und passiven Jedikräften kann noch experimentiert werden. Zusätzlich lassen sich zwei Lichtschwert-Farben freischalten. Es gibt also noch genug zu tun, auch nachdem alle Bösewichte das erste Mal besiegt wurden.

Fazit: Wäre das Headset nur besser

Jedi Challenges ist eine großartige Idee, mit liebevoll umgesetzter Software, die aber etwas unter den technischen Limitationen leidet. Die Grafik bei den Lichtschwertkämpfen ist dafür, wie Augmented Reality hier umgesetzt wird, sehr gut. Dadurch ist das eingeschränkte Sichtfeld aber umso störender, weil man einfach gerne mehr von Darth Vader, den Sturmtruppen und den Droiden sehen würde. So wirkt es manchmal, als würde man die Jediausbildung mit Scheuklappen bestreiten.

Das Tower-Defense-Spiel und Holo Schach sind als Dreingaben zu betrachten. Sie sind zwar kein Kaufgrund, aber immerhin ist es zusätzliches Unterhaltungsmaterial und nicht komplett lieblos umgesetzt, wie das bei manch anderen Star-Wars-Produkten beziehungsweise -Apps der Fall ist.

Mir hat Jedi Challenges richtig viel Spaß gemacht und wäre das Headset besser, würde ich Lenovo vermutlich mit Geld bewerfen. In dieser Form sind die 300 Euro aber über meiner Schmerzgrenze und vermutlich auch über derer vieler Star Wars-Fans. In den USA und England ist Jedi Challenges um 200 US-Dollar beziehungsweise 200 Pfund erhältlich. Wer sich noch gedulden kann sollte warten, bis hierzulande der Preis auf 200 Euro (oder weniger) gesenkt wird.

Dieser Artikel erschien zuerst auf futurezone.at.

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