2017 ist das Jahr, in dem die Rahmen den Displays weichen. Das Xiaomi Mi Mix ist vorgeprescht, Samsung und LG haben mit dem S8 und G6 massentaugliche Smartphones veröffentlicht. Wenn sich die Leaks bewahrheiten, wird Apple im September mit dem iPhone 8 nachziehen.
Und Sony? Die ignorieren es. Das neue Spitzenmodell XZ Premium hat nicht nur für das Jahr 2017 einen dicken Rahmen, sondern wäre auch schon 2016 für sein Design in die Kategorie Old-Fashioned einzuordnen gewesen – und das ohne Retro-Charme (es sei denn man wollte immer schon mal ein Lumia-Smartphone mit Hochglanz-Monoblock-Gehäuse haben).
Viel Rahmen undweniger Charme
Wuchtig, sicht- und fühlbare Erhöhungen an der Ober- und Unterseite, Lautsprecher und Mikrofonschlitze die als Flusenfänger agieren und ein stark reflektierendes Finish, das ein Fingerschmierer-Magnet ist: All das wäre weniger schlimm, wenn nicht der Rahmen so riesig wäre.
Das XZ Premium (156mm) ist fast genauso hoch wie das Samsung Galaxy S8+ (159,5mm), etwas breiter (77mm, S8+: 73,4mm), hat aber nur ein 5,5-Zoll-Display. Das vom S8+ ist 6,2 Zoll groß. Liegen die beiden Smartphones nebeneinander, hat man fast ein bisschen Mitleid mit Sony und fragt sich, warum irgendjemand das XZ Premium wählen sollte, wenn er oder sie ein S8+ haben kann.
Rutschige Beschichtung für Fall-Potenzial
Die reflektierende Beschichtung ist hübsch anzusehen (wenn sie gerade frisch geputzt ist und keine Fingerabdrücke darauf sind), ist aber suboptimal für die Handhabung, da sie rutschig ist. Das relativ hohe Gewicht von 195 Gramm und das breite Gehäuse begünstigen den Drang des Smartphones aus der Hand zu entfliehen.
Hält man das XZ Premium in der linken Hand, lässt es sich besser stabilisieren. Dafür ist die Aussparung im Rahmen für die Standby-Taste verantwortlich. Liegt der Zeigefinger hier auf, hat er etwas mehr Grip.
Im Testzeitraum machte sich der Bewegungsdrang des XZ Premium sogar auf meinem Sofa bemerkbar. Es gab keinen Platz, auf den ich das Smartphone ablegen konnte, von dem aus es nicht Sekunden später abdriftete. Das S8+ und G6 schafften es auf ihren Ablageplätzen zu Verweilen.
Immerhin braucht man keine Angst haben, wenn das XZ Premium ins Waschbecken, Planschbecken, Klo oder sonstige wasserbefüllte Objekte fällt: Das Smartphone ist nach IP68 Standard wasserfest und übersteht Tauchgänge für 30 Minuten in bis zu 1,5 Metern Tiefe.
Trotz UHD-Display kein Qualitätsvorsprung
Das XZ Premium hat ein LC-Display mit der UHD-Auflösung 3.840 x 2.160 Pixel. Im Alltag macht sich dies kaum bemerkbar, da Android viele Inhalte nur in 1080p rendert, die dann vom XZ Premium auf UHD hochskaliert werden.
Echte UHD-Apps sind u.a. Sonys Album und der Video-Player. Von den gängigen Streaming-Anbietern bringt derzeit nur Amazon Prime UHD-Inhalte auf das XZ Premium. Fotos in der Album-App sehen in UHD zwar gut aus, allerdings nicht merkbar besser als etwa beim Galaxy S8+. Damit Das Qualitätsplus auf dem Smartphone sichtbar wird, müsste man mit den Augen näher zum Display, als man noch darauf fokussieren kann.
Bei Videos in der UHD-Auflösung ist es ähnlich. Beim Premium ist im direkten Vergleich mit dem S8+ kein Qualitätsvorteil bemerkbar. Im Gegenteil sogar: Durch das Herunterrechnen des UHD-Videos auf die 1440p-Auflösung des S8+, sieht es dort sogar schärfer aus.
Bei HDR-Videos ist mehr Unterschied zu bemerken. Hier punktet das XZ Premium durch die hohe Helligkeit, die die Farben in den Videos erblühen lässt. Allerdings hat das S8+ durch das AMOLED-Display ohnehin schon angenehm kräftige Farben – bei allen Inhalten und nicht bloß bei HDR-Videos. Im direkten Vergleich sieht die Darstellung des XZ Premium blasser aus, zudem ist ein leichter Gelbstich zu bemerken.
Eigener Android-Launcher und jede Menge Bloatware
Das XZ Premium nutzt Android 7.1.1 mit einem eigenen Launcher. Dieser ist eine leichte Modifikation des original Android-Launchers und nicht weiter störend. Was stört, sind gleich mehrere Bloatware-Apps von Sony, die in der ersten Woche des Tests teilweise mehrmals pro Tag Notifications geschickt haben – bevor die Apps zum ersten Mal geöffnet wurden.
Dazu gehört die App „Whats New“, in der Apps und Themes angepriesen werden. Eine Kategorie für UHD-Content gibt es hier nicht. Die Sony App „Nachrichten“ sammelt RSS-Feeds. Die App „Lounge“ zeigt Gewinnspiele und Rabatt-Aktionen für Apps und Musik an.
Weitere Bloatware ist die PlayStation-App, Movie Creator, Skizze, Facebook, Spotify, Amazon Shopping und AVG Protection.
Ausreichende Leistung
Der Snapdragon 835 CPU und die 4 GB RAM sorgen für ausreichend Leistung. Der interne Speicher ist 64 GB groß und kann per MicroSD-Karte erweitert werden. Die Benachrichtigungs-LED ist sehr klein und blinkt zu selten und eher unauffällig weiß, weshalb man eingegangene Nachrichten schon mal eine Weile übersieht, wenn das Smartphone am Schreibtisch liegt.
Der Fingerabdruckscanner in der Standby-Taste funktioniert gut. Im Test entsperrte er in 95 Prozent der Fälle beim ersten Mal, egal ob das Smartphone in der linken oder rechten Hand gehalten wurde. Position und Größe der Standby-Taste sind durchdacht. Sie ist für User mit mittelgroßen bis großen Händen angenehm zu erreichen.
Der Akku ist 3.230 mAh groß. Im Test war ein Tag Laufzeit locker möglich, oft gingen sich auch 1,5 Tage aus. Während das XZ Premium mit dem Originalladestecker mit USB-C problemlos funktionierte, verweigerte es das korrekte Aufladen mit einem Samsung- und Huawei-USB-C-Ladegerät. Ein iPad-Ladegerät mit USB-C-Kabel funktionierte wieder.
Kamera auch bei wenig Licht brauchbar
Die Kamera hat 19 Megapixel. Im Gegensatz zur Konkurrenz verzichtet Sony auf eine optische Bildstabilisation. Bei Tageslicht fokussiert das XZ Premium sehr schnell, bei Kunstlicht und wenig Licht ist das S8+ flotter. Ein Vorteil für leidenschaftliche Fotografen: Das XZ Premium hat eine dedizierte 2-Wege-Kamerataste. Die zwei Stufen, für Fokussieren und Auslösen, sind sehr gut ertastbar.
Der Haupt-Modus der Kamera-App ist der Automatik-Modus. Hier kann bis auf Farbe und Helligkeit nichts eingestellt werden. Der Automatik-Modus weist der Fotosituation eine Szene zu und passt die Bildparameter entsprechend an. Das passiert etwas zu aggressiv, weshalb manchmal Szenen verwendet werden, die nicht zum gewünschten Resultat führen. Das Portfolio reicht hier von unnatürlich überschärften Panorama-Fotos und verwaschenen Streetlife-Bildern, bis zu übersättigten Farben, die nicht die Stimmung widerspiegeln die man einfangen wollte, und matte/stumpfe Farben bei Kunstlicht-Aufnahmen.
Wer auf Nummer sicher gehen will, nimmt deshalb den manuellen Modus. Hier sind durchaus gute Resultate zu erzielen und es können die übersättigten Farben und überschärften Fotos vermieden werden. Auch bei wenig Licht sind brauchbare Ergebnisse möglich.
Fast versteckte UHD-Videoaufnahme und Superzeitlupe
Videos werden standardmäßig in 1080p mit 30 fps aufgenommen. Wer 4K/UHD-Videos aufnehmen will, macht das nicht im Videomodus, sondern muss dazu in die „Kamera-App“. Man könnte meinen, dass Sony die UHD-Videoaufnahme prominenter bei einem Smartphone platziert, dessen Alleinstellungsmerkmal ein UHD-Display ist.
Ein zweites Alleinstellungsmerkmal ist eine Superzeitlupen-Funktion in der Auflösung 720p. Diese arbeitet mit 960 Bilder pro Sekunde. Allerdings kann nicht mal eine Sekunde gefilmt werden, sondern lediglich 0,15 Sekunden lang. So entsteht ein Clip mit fünf Sekunden Länge. Genau den gewünschten Moment in diesen 0,15 Sekunden einzufangen ist schwierig. Zudem muss beachtet werden, dass für die Superzeitlupenaufnahmen gutes Licht nötig ist und man durch den Crop nicht zu nahe am Objekt stehen darf, das in Superzeitlupe gebannt werden soll.
Fazit
Design ist Geschmackssache, meinen Geschmack trifft das Sony XZ Premium nicht. Das Display-Rahmen-Verhältnis ist für mich nicht mehr zeitgemäß, ich bevorzuge das Designs des Samsung Galaxy S8+ und LG G6.
Abgesehen davon ist das XZ Premium ein gutes Gerät, mit 749 Euro (UVP) aber teuer. Das UHD-Display ist begrüßenswert, jedoch bringt es im direkten Vergleich kaum Vorteile gegenüber einem 1440p-Display. Obwohl Sony die Kamera beim XZ Premium besonders hervorhebt, ist diese nicht besser als bei den Konkurrenzmodellen. Die Superzeitlupenfunktion ist aufgrund der kurzen Aufnahmedauer unbefriedigend.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf futurezone.at.