Die Nikon D850 räumt mit dem Vorurteil auf, dass Alleskönner zwar alles können, dies aber mehr schlecht als recht. Die Vollformat-DSLR ist trotz 45-Megapixel-Sensor nicht nur im Fotostudio zuhause, sondern mit bis zu neun Bildern pro Sekunde auch bei der Tierfotografie, am Spielfeldrand und bei Veranstaltungen ein willkommener Begleiter – sofern genug Platz im Gepäck ist.
Nikon D850 überzeugt mit noch besserem Griff
Denn mit einem Kilogramm Gewicht (mit Akku und Speicherkarte, ohne Objektiv) ist die D850 (3829 Euro UVP) kein Leichtgewicht. Die direkte Konkurrenzkamera Canon 5D Mark 4 (4100 Euro UVP) wiegt 895 Gramm mit Akku. Zudem ist die D850 auch höher und tiefer als die Mark 4.
Und hier kommt die Nikon-Magie ins Spiel. Der bei den größeren Nikon-DSLRs ohnehin schon gute Griff wurde abermals verbessert. Im Vergleich zur D810 ist er schmaler und tiefer. Er gleitet regelrecht in die Hand, wenn man nach der D850 greift.
Die Kamera ist zwar immer noch schwer, lässt sich aber dank des Griffs stabil halten – auch bei Überkopfaufnahmen. Sogar einhändiges Fotografieren ist so einigermaßen möglich, trotz des montierten, ein Kilogramm schweren 24-70 mm 1:2,8E ED VR Objektivs.
Auch wenn der optionale Batteriegriff MB-D18 zusätzliches Gewicht bedeutet, fand ich ihn beim Testen angenehm, da er eine zusätzliche Auflagefläche für den rechten Handballen bietet. Auch im Portrait-Modus liegt er gut in der Hand, wobei der Griff nicht ganz so perfekt wie der der D850 ist.
Die Nikon D850 kommt mit Joystick
Was für Canon-User schon seit der ersten 5D zum Standard gehört, ist jetzt endlich auch bei der Nikon D850 zu finden: ein Joystick. Diesen hat Nikon auch schon bei der D500 verbaut, bei der D810 gab es ihn aber noch nicht.
Auch wenn der Abstand zwischen Joystick und dem Multifunktionswähler nur 3 cm beträgt, ist es eine Erleichterung mit dem Joystick den Fokuspunkt zu wählen. Man erreicht den Joystick mit dem Daumen bequemer, was ein Plus für die Ergonomie ist.
Im Vergleich zur D810 sind die Tasten an der Rückseite der D850 weniger versenkt. Auch das ist der Ergonomie förderlich und sieht nicht so altbacken aus wie bei der D810. Außerdem sind die Tasten auf der linken Kameraseite und auf dem Moduswahlrad beleuchtet, wenn die Display-Beleuchtung eingeschaltet wird.
Verbesserter Sucher und bequemes Display
Der Nikon-typische ausgezeichnete Sucher der Vollformat-DSLRs wurde abermals verbessert. Der Sucher der D850 ist größer als bei der D810 und hat eine Vergrößerung von 0,75 statt 0,70. Er ist klar, scharf, komfortabel und vermutlich der beste optische Sucher, den man bei einer DSLR derzeit finden wird.
Das 3,2-Zoll-Display hat eine Auflösung von 2,3 Millionen Pixel. Bei der Canon 5D Mark 4 sind es nur 1,6 Megapixel. Farbdarstellung und Helligkeit des Monitors können angepasst werden, allerdings gibt es keine automatische Helligkeitsregelung.
Der Touchscreen unterstützt Wischgesten und Pinch-to-Zoom und reagiert präzise. Unbedingt notwendig ist ein berührungsempfindliches Display bei einer DSLR zwar nicht, beim Fotografieren im Live-View-Modus ist es aber bequem, einfach nur aufs Display zu tippen, um den Fokuspunkt zu ändern.
Nikon D850 hat robusten Schwenkmechanismus
Das Display ist schwenkbar. Canon hat bei der 5D Mark 4 auf ein schwenkbares Display verzichtet – so eines findet man nur bei der leistungsschwächeren 6D Mark 2. Das Display der Nikon D850 ist zwar nur nach oben und unten schwenkbar (sehr zum Ärger der Luxus-Selfie-Macher und Großverdiener-Youtuber), dafür wirkt der Mechanismus aber sehr robust.
Da die D850 mittlerweile auch im Foto-Live-View-Modus mit annehmbarer Geschwindigkeit und Präzision fokussiert, macht das schwenkbare Display für mich Sinn. Es erleichtert nicht nur das Arbeiten vom Stativ, sondern auch freihand, falls man etwa aus der Vogelperspektive nach unten fotografieren möchte und nicht das dafür nötige Studioequipment bei der Hand hat. Schade ist, dass der virtuelle Horizont nicht diese Kameraausrichtung nach unten und oben unterstützt: Ab einen Winkel von etwa 80 Grad zeigt er nichts mehr an.
Mit sattem Sound kann Nikon überzeugen
Das Auslösegeräusch der D850 ist satt und markant. Der Quiet-Modus ist leiser, aber nicht ganz so unauffällig, wie ich es gerne hätte. Dies ist bei der Canon 5D Mark 4 ähnlich. Hier haben beide Hersteller Verbesserungsbedarf.
Dafür hat die D850 aber einen Trick parat: die stille Live-View-Auslösung. Dieser ist bei Aufnahmen im Live-View-Modus, der Intervall-Funktion, Zeitraffer-Funktion und bei der Fokus-Stacking-Funktion nutzbar. Da hier nur elektronisch ausgelöst wird, ist der Modus komplett leise. Es ist kein gedämpftes Geräusch, sondern gar keines. Das Einzige, was von der Kamera zu hören ist, ist der Autofokus-Motor des Objektivs.
Dieser Stealth-Modus ist in zwei Versionen verfügbar. Bei SL1 wird in voller Auflösung fotografiert. Bei SL2 fotografiert die D850 im DX-Crop-Modus. Dadurch sind bis zu 30 Fotos pro Sekunde im Serienbildermodus möglich.
Neuer Aufnahme-Modus „Fokus Stacking“
Die D850 unterstützt die üblichen Modi wie Mehrfachbelichtung, HDR, Intervallaufnahme und Zeitrafferfilm. Neu ist die „Aufnahme mit Fokusverlagerung“ (Fokus Stacking).
In diesem Modus nimmt die D850 eine zuvor eingestellte Anzahl an Fotos auf. Zwischen den Aufnahmen wird automatisch der Fokus verstellt. In wie großen Schritten er verstellt wird, wird auf einer Skala von 1 bis 10 festgelegt. Da dies je nach Objektiv unterschiedlich stark ausfällt, muss man mit dieser Funktion etwas experimentieren.
Es kann ein Intervall zwischen den Aufnahmen eingestellt werden, damit keine Vibrationen Einfluss auf die Kamera haben. Nach dem Start nimmt die D850 automatisch die Fotos auf bis das Bildlimit erreicht wurde oder der Fokus des Objektivs den Unendlich-Bereich erreicht hat.
Die D850 kombiniert die Fotos nicht zu einer Aufnahme, bei der alle Bildebenen im Fokus sind. Das muss man selbst machen. Dies funktioniert etwa mit Photoshop CC, Zerene Stacker oder Helicon Focus. So gelingt es bei Makro-Aufnahmen, das gesamte Motiv scharf zu bekommen. Auch bei der Landschaftsfotografie können so interessante Aufnahmen entstehen.
Alles ist schnell bei der Nikon D850
Bei der D850 ist alles schnell. Es gibt kaum lästige Verzögerungen, das Verarbeiten von HDR-Aufnahmen ist ebenfalls etwas schneller geworden. Mit dem Batteriegriff sind bis zu neun Fotos pro Sekunde im Serienbildermodus möglich, ohne sind es sieben. Damit die hohen Datenmengen bewältigt werden können, ist eine schnelle Speicherkarte nötig. Die D850 hat hierfür einen Slot für XQD und einen für SD (SDXC UHS-II kompatibel). Aktuelle XQD-Karten bieten eine Schreibgeschwindigkeit von bis zu 400 MB/s.
Der Autofokus nutzt 153 Messfelder mit 99 Kreuzsensoren. 55 Sensoren können ausgewählt werden. Die D850 fokussiert auch bei wenig Licht verlässlich und der kontinuierliche Autofokus arbeitet auch im schnellen Serienbildermodus sehr gut. Lediglich beim dynamischen Autofokus mit 153 Messfeldern springt der Fokus bei mehreren, sich bewegenden Motiven im Bildausschnitt manchmal hin und her. Mit dem dynamischen Autofokus mit 9 und 25 Punkten war das nicht der Fall.
Nikon hat den Weißabgleich verbessert
Der automatische Weißabgleich der D850 wurde ebenfalls verbessert im Vergleich zur D810. Die Standard-Einstellung „Weiß bewahren“ lieferte gute Ergebnisse. Alternativ können „Normal“ und „Warme Lichtstimmung“ gewählt werden.
Nikon wurde bei seinen früheren Vollformat-DLSRs dafür kritisiert, dass Aufnahmen bei Tageslicht oft zu neutral und dadurch kalt wirkten. Deshalb gibt es jetzt den neuen AWB-Modus „Auto-Tageslicht“. Dieser verleiht Außenaufnahmen etwas mehr Wärme.
Die Belichtungsmessung war überraschend gut, selbst bei sehr hellen Motiven vor dunklem Hintergrund. Bei einem Teil meines Tests mit 312 Fotos mit 16 verschiedenen Motiven in verschiedenen Lichtsituationen waren nur drei deutliche Ausreißer dabei, die etwa 0,5 Blendenstufen zu dunkel waren. Aber besser zu dunkel als zu hell, da sich das bei der Nachbearbeitung leichter korrigieren lässt.
Nikon setzt auf ISO 64 statt 100
Die D850 hat einen nativen ISO von 64, statt der üblichen 100. Dies soll vor allem bei Langzeitbelichtungen und bei Videos für noch mehr Bildqualität sorgen. Bei normalen Aufnahmen ist es kaum möglich einen Unterschied zwischen ISO 64, 100 und 200 zu erkennen, da es kein relevantes Rauschen gibt.
Bis ISO 6400 ist das Bildrauschen hauptsächlich in den dunklen Stellen. Auch ISO 6400 ist noch brauchbar. Ab ISO 12.800 ist das Bildrauschen sehr deutlich in der 100-Prozent-Ansicht, das Foto aber noch akzeptabel. Höher sollte man mit dem ISO-Wert nur noch im Notfall gehen, da ab hier der Qualitätsverlust in den Farben zu stark wird. Dass bei 45 Megapixeln ein ISO von 6400 noch problemlos genutzt werden kann, ist ein großes Plus für die D850.
Scharf und detailliert auch bei 100 Prozent
Die D850 setzt die Nikon-Tradition fort, den Dynamikumfang bei jeder Generation zu erhöhen. Die Fotos sind scharf und detailliert, auch in der 100-Prozent-Ansicht. Das ist für eine 45-Megapixel-Kamera sehr beeindruckend. Die Canon 5DS R mit ihren 50 Megapixeln schafft es mit Abstand nicht, hier mitzuhalten.
Viel mehr gibt es nicht zu sagen, da die Bildqualität der D850 ausgezeichnet ist.
Im Bereich Video kann die Nikon D850 nicht ganz mithalten
Die D850 nimmt Videos in der UHD-Auflösung 3840 x 2160 Pixel auf. Für professionelle Filmer ist vielleicht enttäuschend, dass das echte 4K-Format 4096 x 2160 Pixel nicht unterstützt wird. Dafür werden die UHD-Videos aber mit dem vollen Sensor und nicht im Crop aufgenommen. Dabei dürfte eher Pixel Binning statt Oversampling zum Einsatz kommen, Nikon hat dies bisher aber noch nicht offiziell bestätigt.
Immerhin können die UHD-Videos ohne Komprimierung in 4:2:2 auf einem externen HDMI-Recorder aufgenommen werden. Wie bei DSLRs üblich ist auch ein leichter Rolling-Shutter-Effekt zu bemerken. Die UHD-Videos sehen zwar besser als bei der Nikon D810 aus, können aber nicht mit Videos von Sony-Systemkameras mithalten, die im Super35-Modus gedreht wurden.
UHD-Videos sind mit maximal 30p möglich. FullHD-Videos können mit 60p aufgenommen werden, Zeitlupen-Videos in dieser Auflösung mit 120 Bildern pro Sekunde. Der Autofokus bei Videos ist etwas besser als bei der D810, aber immer noch nicht verlässlich genug. Wer mit einer Fotokamera ohne Rig filmen will, greift besser zur Sony A9.
Das Menü kompliziert die Suche
Der Ton den die D850 mit dem eingebauten Stereo-Mikrofon aufnimmt, ist mäßig. Ein Anschluss für ein externes Stereo-Mikrofon und Kopfhörer sind vorhanden.
Bluetooth und WLAN gibt es ebenfalls, wobei die dazugehörige Nikon-App mal überarbeitet werden könnte. Dasselbe gilt auch für das typische Nikon-Menü der Kamera. Während die D850 ergonomisch äußert gelungen ist, ist das Menü überfällig für ein Redesign. Selbst wenn man schon zwei Mal den gewünschten Menüpunkt gefunden hat ist die Chance hoch, dass man ihn auch beim dritten Mal suchen wird, wenn man ihn nicht in das „Mein Menü“ integriert.
Fazit: Nicht perfekt, aber absolut empfehlenswert
Die Nikon D850 (3829 Euro UVP) lässt mich bereuen, dass ich jahrelang viel Geld in Canon-Objektive gesteckt habe. Während die Canon 5D Mark 4 für mich aus der Sicht eines ambitionierten Amateurs nicht genug Weiterentwicklung zum Vorgängermodell bietet, ist der Sprung von der D810 zur D850 gewaltig, sodass ich ernsthaft überlege, nach zwölf Jahren Canon auf Nikon umzusteigen.
Natürlich ist die D850 nicht perfekt, aber trotz dieser Kleinigkeiten ist sie derzeit die beste Vollformat-DSLR. Sie ist schnell genug für Sportfotografie, hat genügend ISO-Reserven für Indoor-Veranstaltungen, ist mit 45 Megapixeln für die Studiofotografie und Landschaftsfotografie geeignet und der hohe Dynamikumfang hilft sowieso in allen Fotosituationen. Lediglich als Filmkamera schwächelt sie. Wer auf diese Funktion besonders viel Wert legt, sollte sich Sonys Systemkameras, wie etwa die A9, ansehen.
Wer mit dem Gedanken spielt seine D750, D800 oder D810 durch die D850 zu ersetzen: Tut es. Soll die Entscheidung zwischen Canon 5D Mark 4 (oder irgendeiner anderen Canon-Kamera der 5D-Serie) und der Nikon D850 fallen: D850.
Technische Daten auf der Website des Herstellers
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf futurezone.at.