Elektroautos werden von vielen Expertinnen und Experten als unverzichtbare Alternative angesehen, doch in der breiten Gesellschaft sind sie weiterhin umstritten. Diese Polarisierung zeigt sich nicht nur in intensiven Online-Debatten und im Kaufverhalten der Konsumentinnen und Konsumenten, sondern auch bei den Fachleuten, die die Fahrzeuge eigentlich am besten verstehen sollten. Dennoch fühlt sich längst nicht jede Werkstatt in der Lage oder verpflichtet, defekte Elektrofahrzeuge zu reparieren.
Das Elektroauto – „eine fahrende Bohrmaschine“
Eugen Becker betreibt seinen Kfz-Meisterbetrieb im hessischen Immenhausen. Das mitteldeutsche Bundesland lag vergangenes Jahr im Vergleich mit 55.284 neu zugelassenen E-Fahrzeugen auf dem vierten Platz. Gemessen an der Bevölkerung verfügte es dem Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) zufolge sogar über die höchste Quote der Stromer-Zulassungen. Das bedeutet allerdings nicht, dass ganz Hessen geschlossen hinter der Verkehrswende steht, wie Becker deutlich zu verstehen gibt.
„Ich habe meine Ausbildung damals als Kfz-Mechatroniker gemacht, um Motoren zu reparieren, um Auspuff-Löcher rein zu bohren, damit er lauter ist als Jugendlicher – und nicht dafür, um eine fahrende Bohrmaschine mit einem Tablet-Cockpit zu haben“, erzählte der Werkstattbetreiber in einem auf TikTok veröffentlichten Video. „Das ist nicht moralisch vertretbar für mich.“
Von Statements wie „Ich fahr Diesel bis zum Schluss“ bis zu „gehst du nicht mit der Zeit, gehst du mit der Zeit“ finden sich unter dem Beitrag etliche Meinungen vertreten. Besonders eindrücklich zeigt sich jedoch, dass die „gegen Elektro“-Fraktion an dieser Stelle vorrangig mit alten Klischees und längst überholten Vorurteilen gegen Elektroautos aufwartet.
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Geh mit der Zeit oder geh mit der Zeit
Für Becker als Werkstattinhaber bringe die Reparatur von E-Fahrzeugen eine größere Verantwortung, höheren Schulungsaufwand für seine Mitarbeitenden, sowie höhere Kosten für das benötigte Werkzeug mit sich. Denn: Arbeiten an Stromern erfordern spezielle Qualifikationen und Schulungen. Mitarbeitende müssen verschiedene Stufen der Hochvoltausbildung durchlaufen, um sicher und effektiv an Elektrofahrzeugen arbeiten zu können. Diese Schulungen sind kostenintensiv und zeitaufwendig, aber unerlässlich für die Sicherheit und Qualität der Reparaturen.
Zudem verfügen E-Autos Energie Baden-Württemberg (EnBW) zufolge über einen wesentlich geringeren Wartungsbedarf als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, da sie über weit weniger bewegliche Teile verfügen. Für Fahrerinnen und Fahrer ist das ein Vorteil, für Unternehmer wie Becker jedoch nicht. Denn es bedeutet, dass Werkstätten weniger regelmäßige Wartungsarbeiten durchführen müssen, was wiederum zu geringeren Einnahmen führen kann.
Während einige Werkstätten noch zurückhaltend sind, erkennen immer mehr Betriebe das Potenzial und die Notwendigkeit, sich auf die Elektromobilität einzustellen. Besonders freie Werkstätten können von der zunehmenden Verbreitung von Elektroautos profitieren, berichtet der deutsche Automobilzulieferer Hella. Dazu müssen sie sich aber rechtzeitig anpassen und die notwendigen Qualifikationen erwerben.
Quellen: Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller; TikTok/@autohausbecker; Energie Baden-Württemberg; Hella
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