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Verkümmert wegen Google Maps & Co. wirklich mein Gehirn

Man könnte es leicht annehmen: Navis wie Google Maps machen uns dümmer. Aber wie berechtigt sind diese Sorgen wirklich?

Ein Mann sitzt im Auto und tippt auf seinem Handy
Abenteuerliche Routen sind mit Google Maps quasi passé. Für unser Gehirn hat das Folgen. Foto: imago/Westend61

Du kennst das sicher: Bist du auf dem Weg zu einer Party, ins Museum oder zu dem netten Café, das deinen Städtetrip versüßen soll, ist Google Maps dein Freund und Helfer. Du schmeißt die App an, tippst dein Ziel ein und lässt dich bequem hinführen – und ganz ehrlich: Du tust das wahrscheinlich meist ohne groß darüber nachzudenken. Aber was sagt dieses Verhalten, das heute so normal geworden ist, überhaupt über unser Gehirn aus? Werden wir durch Navis wirklich dümmer?

Abenteuer passé dank Google Maps

Als ein Pärchen aus den USA vor ein paar Jahren vom britischen Festland aus nach Caldey Island vor der Südküste von Wales fuhr, kam es ihr Vertrauen in ihr Navigationssystem teuer zu stehen. Statt auf den nur 3,7 Kilometer Distanz wie nötig die Fähre zu nehmen, fuhren sie stattdessen in den Bristolkanal. Glücklicherweise wurden sie gerettet. Derartige Vor- und Unfälle passieren ständig, weil wir auf die moderne Technik von unseren Navis vertrauen. Vorbei sind die Zeiten der klugen und manchmal sogar abenteuerlichen, eigenständigen Routenplanung.

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Warnung: Kein Speicher mehr im Gehirn

Kein Wunder also, dass Forscher davor warnen, dass dadurch wichtige Teile unseres Gehirn verkümmern würden. Julia Frankenstein ist Experimentalpsychologin an der Technischen Universität Darmstadt. In der NZZ am Sonntag erklärt sie, weshalb Navis Menschen dümmer machen. „Wegen solcher Hilfsmittel müssen wir die Informationen über unsere Umwelt nicht mehr im Gedächtnis speichern, ja wir müssen uns nicht einmal damit beschäftigen“, so die Wissenschaftlerin.

Das kennt man auch von wichtigen Jahreszahlen der Weltgeschichte. Wer Google in seinem Smartphone immer dabei hat, muss sich nicht mehr merken, wann der Dreißigjährige Krieg war oder die Berliner Mauer gebaut wurde. Selbstständig Denken und auch noch Entscheidungen treffen? Beim modernen Navigieren nicht mehr nötig. Mit Navi nehme man nur den Weg von A nach B wahr, so Frankenstein, die Wegmarken an der Strecke aber nicht.

Schluss mit der „kognitiven Karte“

So etwas wie eine „kognitive Karte“ scheint nicht mehr zeitgemäß. Im 20. Jahrhundert war das aber noch anders. Tierversuche führten den Psychologen Edward Tolman an der University of California zu der Erkenntnis, dass Mäuse wie Menschen sich Wegenetze und landschaftliche Gegebenheiten einprägen können, die über das hinausgehen, was sie von einem bestimmten Standort aus sehen können.

In den 1970ern wurde er durch Forscher aus den USA und Skandinavien bestätigt. ihre Untersuchungen legten nahe, dass vertraute Stellen in einem Raum eine besondere Aktivitäten von Neuronen hervorrufen. Aber erst Jahrzehnte später war klar: Das menschliche Gehirn kann durch als Gitterzellen bezeichnete Neuronen abstrakte Karten von Räumen abspeichern.

Das Problem: „Genau diese Fähigkeit aber verkümmert mit hoher Wahrscheinlichkeit, wenn Menschen zur Orientierung ständig Navis nutzen oder sie wird gar nicht erst ausgebildet“, warnt Frankenstein. „Beim Fahren mit Navi bleibt der gesunde Menschenverstand oft auf der Strecke“, sagt sie. Und viele ihrer Kollegen sehen das ähnlich.

Auch der „Handy-Daumen“ ist ein Zeichen

So sieht etwa der Göttinger Neurobiologe Gerald Hüther auch beim „Handy-Daumen“ einen derartigen Zusammenhang. „Die Repräsentation des Daumens im Gehirn von Kindern und Jugendlichen ist seit der Einführung des Handys fast doppelt so groß“, so Hüther. Lerne unser Gehirn etwas Neues und trainiere diese Fähigkeit, verändere es sich. Das Gelernte wird strukturell darin verankert. Dasselbe gelte andersherum: Wer seine Fähigkeiten nicht nutzt, lässt sie verkümmern – und das Gehirn verändert sich wieder.

Klingt eigentlich logisch. Schließlich sind wir schlechter im Musizieren, wenn wir unser gelerntes Instrument jahrelang nicht anfassen. Das gilt aber nicht für alle Fähigkeiten. Forscher untersuchen beispielsweise noch, warum Bewegungsablaufe wie Schwimmen, Radfahren und Ähnliches nicht verloren gehen.

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Ein weiteres Beispiel dafür, dass die „grauen Zellen“ da oben verkümmern, ist eine viel zitierte Taxifahrerstudie aus dem Jahr 2008, die besagt: Bei erfahrenen Taxifahrern ist eine bestimmte Hirnregion deutlich größer als bei Laien. „Wenn man allen Londoner Taxifahrern Navis gibt, schrumpft die Hirnregion wieder“, hieß es in Folgestudien. Dafür gibt es aber keine Belege.

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„Death by GPS“: Nicht nötig

Übrigens: Bei den gefährlichen Pannen, die mit modernen Navigationssystemen passieren, ist es nicht verwunderlich,dass das Phänomen bereits einen Namen hat. Die Ranger des US-Nationalparks Death Valley jedenfalls nennen es „Death by GPS“, wenn ein Navi einen Menschen so sehr in die Irre geführt hat, dass er stirbt.

Werden wir also durch Navis wirklich dümmer? Die Antwort ist erst einmal: Ja. Jedenfalls verkümmern dadurch die Bereiche des Gehirns, die der Orientierung dienen. Ein ganz normaler Effekt, wenn man bedenkt, dass unser Hirn evolutionsbedingt flexibel bleiben muss und sich ständig anpasst.

Das scheint aber genau der Grund dafür zu sein, dass es nicht schlimm ist, dümmer als das Navi zu sein. Wenn du dich nicht allzu blöd anstellst und es vermeidest, blind auf dein Gerät zu vertrauen, sollte dir ein „Death by GPS“ jedenfalls erspart bleiben. Problematisch wird es nur, wenn du im Nirgendwo ohne GPS verlorengegangen bist. Dann nämlich wäre es besser, schlauer zu sein als die moderne Technik. Da gilt nur: Dranbleiben und die eigene Orientierung nicht verlieren.

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