Wir versuchen so viel wie möglich über unsere Abstammung herauszubekommen. Das kann uns nicht nur Aufschluss über die Gegenwart geben, sondern auch über die Zukunft. Eine neue Studie weist nun daraufhin, dass es eine mysteriöse Linie im Stammbaum des Menschen gibt, die nur entfernt in Beziehung zum Neandertaler steht. Dieser Ursprung könnte sich mit dem modernen Westafrikaner vermischt haben. Das bedeutet es für unseren Genpool.
Stammbaum des Menschen wirft immer wieder Fragen auf
Der moderne Mensch ist die einzige Art unserer Gattung, die noch auf der Erde lebt. Doch das sah in der Vergangenheit anders aus. Seit wann es Menschen gibt, ist immer noch nicht genau geklärt. Es gab aber den Neandertaler in Eurasien und die Denisovan-Linie in Asien und Ozeanien. Für den Stammbaum des Menschen wurde noch nicht geklärt, ob diese Linie als Art oder Unterart gilt. Doch sie zeigt genetische Unterschiede auf.
In früheren Arbeiten ging man davon aus, dass die Vorfahren des modernen Menschen sich vor etwa 700.000 Jahren aus den Neandertalern und Denisovanern entwickelten. Vor rund 400.000 Jahren sollen sich diese beiden Arten auch verändert haben. Doch ganz so einfach ist es nicht, eine Zeitachse zu bilden. Denn es scheint, als haben noch mehr ausgestorbene Linien im Stammbaum des Menschen mitgemischt. Diese sollen vor etwa 194.000 Jahren begonnen haben.
Zu wenig menschliche Fossilien in Afrika
So macht die Neandertaler-DNA etwa 1,8 bis 2,6 Prozent des Genoms des modernen Menschen außerhalb Afrikas aus. Die Denisovaner-DNA hingegen macht 4 bis 6 Prozent des modernen Melanesiers aus. Nun gehen Forscher davon aus, dass es eine ausgestorbene Abstammungslinie gibt, die sich ebenfalls mit dem modernen Menschen vermischt hat. Leider ist der Fossilienbestand in Afrika sehr gering. Das macht es schwierig, diese DNA auch bei uns Menschen zu identifizieren.
Daher gingen die Wissenschaftler anders vor: Sie suchten nach den genetischen Spuren beim modernen Afrikaner. Es wurden 405 Genome von Menschen aus Westafrika mit denen der Neandertaler und der Denisovaner verglichen. Die Forscher suchten nach DNA, die sich von den westafrikanischen Genomen stark abhoben. Dabei stießen die Forscher auf statistische Anomalien, die sich durch eine Kreuzung aus Westafrikanern und einer unbekannten menschlichen Linie erklären lassen. Sie glauben, dass diese Linie vor der Spaltung zwischen Neandertaler und dem modernen Menschen stattfand.
Vier westafrikanische Gruppen konnten der mysteriösen DNA zwischen 2 bis 19 Prozent zugeordnet werden:
- Yoruba im Südwesten Nigerias
- Esan im Süden Nigerias
- Gambianer im Westen Gambias
- Mende in Sierra Leone
Das Genom bietet evolutionäre Vorteile
Bei der Entwicklung des Menschen war die Kreuzung von menschlichen Populationen weit verbreitet. Gerade im Yoruba- und Mende-Genom war die geheimnisvolle Linie häufig vertreten. Die Forscher gehen davon aus, dass dies evolutionäre Vorteile bietet, wie Gene, die an der Tumorrepression, der männlichen Reproduktion und der Hormonregulation beteiligt sind.
Für die Wissenschaftler ist es faszinierend, dass diese DNA bis heute überlebt hat. Die Studie ist stark eingeschränkt, weil nur die westafrikanische Bevölkerung untersucht wurde. Es ist unklar, wie weit sich diese mysteriöse Linie auch über Afrika hinaus ausgebreitet hat. Zum Stammbaum des Menschen gibt es noch mehr ungeklärte Fragen: War der erste Mensch eine Frau? Das würde passieren, wenn es auf unserem Planeten keine Menschen mehr gebe.