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Robert Koch: Die skrupellosen Experimente eines Pioniers

Robert Koch war ein deutscher Mediziner und Mikrobiologe. Er gilt als Vorreiter auf seinen Gebieten, sorgte jedoch für einige Kontroversen.

Robert Koch in Deutsch-Ostafrika und Uganda
Robert Koch gilt auf vielen Gebieten als Vorreiter. Allerdings war er tief in die Kolonialgeschichte Deutschlands verstrickt. Foto: RKI [M]

Heinrich Hermann Robert Koch wurde am 11. Dezember 1843 im niedersächsischen Clausthal geboren. Im Jahr 1862 trat er sein Studium der Philologie in Göttingen an, wechselte jedoch früh zur Medizin. Bis er 1866 promovierte lernte Koch mitunter bei namenhaften Wissenschaftlern wie Wilhelm Weber, Georg Meissner und sogar Rudolf Virchow. Heute ist der Mediziner, Mikrobiologe und Hygieniker vor allem als Pionier der Erforschung von Infektionskrankheiten bekannt. Selten berücksichtigt wird jedoch seine Rolle in der Kolonialgeschichte Deutschlands.

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Deutsche Kolonien

Zwischen 1880 und 1919 erwarb das Deutsche Kaiserreich Kolonien. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieg löste sich dieses Kolonialreich, das sich aus Teilen der heutigen Staaten Burundi, Ruanda, Tansania, Namibia, Kamerun, Gabun, Republik Kongo, Zentralafrikanische Republik, Tschad, Nigeria, Togo, Ghana, Neuguinea, und mehreren Inseln im Westpazifik und Mikronesien zusammensetzte, gemäß dem Versailler Vertrag auf. Nach den britischen und den französischen stellten die deutschen „Schutzgebiete“ das flächenmäßig drittgrößte Kolonialreich dar.

„Robert Kochs Affe“: Tatsachenroman rüttelt Geschichte auf

Im vergangenen Jahr schon sorgte der Historiker Jürgen Zimmerer für aufsehen. Im Rahmen eines Essays, dass dieser 2020 im Spiegel veröffentlichte, stieß er die Öffentlichkeit auf die kontroverse Geschichte Robert Kochs und forderte darin sogar die Umbenennung des Robert Koch-Instituts. Debatten wie diese wurden in letzter Zeit immer häufiger losgetreten.

Neben Robert Koch, einem wesentlichen Mitbegründer der modernen Bakteriologie und Mikrobiologie, geraten auch andere einstige Vorreiter in die Kritik. Während das Augenmerk in Europa dabei auf der teils grausamen Kolonialgeschichte vieler Staaten liegt, spielt etwa in den Vereinigten Staaten vornehmlich der historische Hintergrund der Sklaverei eine maßgebliche Rolle. Geschaffen wird dadurch eine schmale Gradwanderung zwischen dem Gedenken der Erfolge und der fatalen Fehler der Vergangenheit.

Der im März 2021 veröffentlichte Tatsachenroman „Robert Kochs Affe: Der grandiose Irrtum des berühmten Seuchenarztes“ hebt vor allem letztere hervor. Michael Lichtwarck-Aschoff, ein deutscher Arzt und Schriftsteller, beleuchtet darin mitunter Kochs Zeit in Deutsch-Ostafrika und auf britischem Kolonialgebiet in Uganda, wo er letztlich mit seinem Team tätig wurde.

Der Tuberkulin-Skandal

Schon 1882 verkündete Robert Koch die Entdeckung des Erregers der bakterielle Infektionskrankheit Tuberkulose. Sie wird durch verschiedene Arten von Mykobakterien hervorgerufen und befällt beim Menschen vor allem die Lunge. In den Jahren 1883 und ’84 leitete Koch eine Cholera-Expedition nach Ägypten und Indien. Ziel war neben der näheren Erforschung der Durchfallserkrankung auch die Suche nach möglichen Heilmitteln. Von da an ging es für den Hygieniker bergab.

Im Jahr 1890 präsentierte Koch erste Varianten eines Wirkstoffs, der später für große Furore sorgen sollte: Tuberkulin. Es wurde aus auf Glycerinpeptonbouillon gezüchteten Mycobacterium-tuberculosis-Stämmen gewonnen. Koch verkaufte den Stoff in einer Zeit, in der etwa jeder siebte Deutsche an Tuberkulose starb, als Heilmittel gegen ebendiese und erhielt dafür sogar das Großkreuz des Roten Adlerordens.

Damals erklärte der Mediziner, er hätte das Mittel an Tieren erprobt, konnte später allerdings die angeblich geheilten Meerschweinchen nicht vorweisen. Auch die Tatsache, dass Menschen weit empfindlicher auf Tuberkulin reagierten, schien Koch nicht zu beunruhigen. Auf erste Berichte von Heilerfolgen folgten schnell die ersten Todesfälle. Das Problem: Der heute als Alt-Tuberkulin bekannte Stoff tötete die verantwortlichen Bakterien nicht ab, sondern aktivierte diese sogar. Dieser Skandal brachte den Mikrobiologen zwar in Bedrängnis, stellte aber erst den Anfang eines äußerst dunklen Kapitels seiner Karriere dar.

Konzentrationslager in Uganda

Auf den Ssese-Inseln, einem Archipel von vierundachtzig Inseln im nordwestlichen Teil des Viktoriasees in Uganda, widmete sich die Expedition um 1905 der Schlafkrankheit (Trypanosomiasis) – und zwar auf grausame Weise. Dies geht mitunter aus einem damaligen Bericht des Berliner Tageblatts, einer überregionalen Tageszeitung im Deutschen Reich, hervor. Betroffene wurden aus den Einheimischen herausgegriffen, in Konzentrationslagern zusammengepfercht und letztendlich „therapiert“. Erkrankte erhielten dabei hohe Dosen arsenhaltigen Mittel Atoxyl. Dass dieser Stoff in solchen Mengen stark giftig war, wusste man damals längst.

„Die schweren Nebenwirkungen nahm er offenbar billigend in Kauf.“, erklärt Zimmerer im Rahmen seines Essays. „Sie waren nicht nur äußerst schmerzhaft, sondern führten auch zur Erblindung von Patienten und bei einigen sogar zum Tod.“ Trotz dieser fatalen Nebenwirkungen und ohne einen nachweisbar dauerhaften Heilungseffekt, habe Koch geplant, Atoxyl weitreichend gegen die Schlafkrankheit in Deutsch-Ostafrika einzusetzen. Erst später wurden diese Versuche durch das Reichskolonialamt untersagt.

Die Debatte um Kochs Erbe

Robert Kochs positiver Einfluss auf die moderne Medizin lassen sich nur schwer bestreiten. 1905 wurde der Wissenschaftler mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Überall auf der Welt untersuchte er einige der schlimmsten Seuchen der Welt wie Malaria, die Rinderpest sowie Cholera und förderte eine unübersehbare Reihe an Erkenntnissen zutage. Nichtsdestotrotz müssen auch diese Errungenschaften in den entsprechenden historischen und gesellschaftlichen Kontext gesetzt werden.

Zimmerer, Lichtwarck-Aschoff und viele andere Zeigen auf, dass um der Forschung Willen nicht die Fehler vergessen oder gar verschleiert werden dürfen, die mit ihr einhergingen. Debatten wie diese sind unerlässlich, um zu verstehen, welche Rolle die einstigen Kolonialmächte einst spielten, und zu vermeiden, dass Vergleichbares wieder geschieht.

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