Neben dem Bundesverfassungsgericht interessiert sich mittlerweile offenbar sogar der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag für den Klimawandel und Umweltverbrechen. Befasst sich dieser normalerweise mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Ähnlichem, sucht er nun nach einer entsprechenden rechtlichen Definition. Christina Voigt, Vorsitzende der Fachgruppe Klimawandel der IUCN-Weltkommission für Umweltrecht, und ihre Kolleg:innen sollen dort nun den Klimawandel beziehungsweise die Zerstörung der Umwelt, also „Ökozid„, als Straftatbestand definieren.
Was ist der Klimawandel?
Der Klimawandel ist eine anhaltende Veränderung – von einem Jahrzehnt bis zu einer Million Jahren – der statistischen Parameter des globalen Klimas der Erde oder der verschiedenen regionalen Klimata. Diese Veränderungen können auf erdimmanente Prozesse, auf äußere Einflüsse oder neuerdings auch auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen sein.
Klimawandel: Den Haag soll über Umweltverbrechen entscheiden
Der Begriff „Ökozid“ beschreibt in erster Linie die massive Schädigung oder gar Zerstörung von Ökosystemen. In Folge dessen werden Gewässer kontaminiert, ganze Arten werden ausgelöscht, Menschenleben gefährdet und der Klimawandel vorangetrieben. Der Initiative Stop Ecocide zufolge zeigen folgende Beispiele, in welchen Fällen ein Strafgesetz zum Ökozid zum Einsatz kommen könnte:
- Schädigung der Ozeane
- Abholzung
- Land- und Wasserkontamination
- Luftverschmutzung
Die Grundlage eines solchen Strafgesetzes sollen Voigt und ihr Team als Teil eines internationalen Expertengremium definieren. Immerhin befasse sich der IStGH mit Straftaten von internationalem Interesse, erklärt die Professorin für internationales Umweltrecht an der Universität Oslo im Interview mit dem Spiegel. „Das sollte auch die erhebliche Umweltzerstörung mit einbeziehen. Diese ist eben keine Angelegenheit einer Region oder eines Landes, sondern betrifft die gesamte Menschheit.“
Grundsätzlich müsse geklärt werden, was genau man unter Begriffen wie „Verbreitung“, „Schwere“ und „Langfristigkeit“ eines Umweltschadens verstehe. „Denn der IStGH kann nicht jede Art des Verbrechens an sich ziehen, es muss erst mal ein bestimmtes Ausmaß erreicht sein: Eben weil das Verbrechen ein sehr großes Gebiet umfasst, es besonders schwer wiegt oder seine Folgen lange andauern.“
Wer dürfte wen anzeigen?
Anders als bei anderen Straftatbeständen müsse bei einem Ökozid kein unmittelbares Opfer als Kläger auftreten. Allein der Schaden am Ökosystem sei ausschlaggebend. „Wenn Sie so wollen, ist die Natur das Opfer.“ Auch sei es rechtlich nicht relevant, ob ein solches Vorantreiben des Klimawandels in Form einer Zerstörung der Umwelt am Ort des Geschehens legal sei. So könne sich „kein Staat und keine Einzelperson […] dadurch entschuldigen, dass irgendeine Handlung dem nationalen Recht entspricht, wenn sie völkerrechtswidrig ist“.
Bis Juni will das Gremium seinen Vorschlag für eine Definition vorlegen. Dann seien die Regierungen am Zug. „In unserem Gremium sitzen Strafrechtler, Völkerrechtler und Umweltrechtler und entwerfen nur einen Vorschlag“, so Voigt. „Dann können die Vertragsstaaten des Römischen Statuts, also diejenigen, die den IStGH anerkennen, überlegen, ob sie den aufgreifen und zur Verhandlung unter allen Mitgliedern stellen möchten. Einige Länder haben schon ihr Interesse bekundet, darunter Belgien, Schweden, Frankreich und einige Inselstaaten.“
Der Erfolg des Projekts zur Aufnahme des Ökozids als Straftatbestand bleibt zunächst abzuwarten. Im April erst hatte die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA Beweise vorgelegt, dass der Mensch eine wesentliche Klimawandel-Ursache darstellt. Parallel dazu erklärten Forscher:innen Anfang Mai, wie schlecht es um den Planet Erde steht und welche vier Dinge lebensnotwendige Maßnahmen behindern.