Nur noch eine Folge. Nur noch ein Kapitel lesen. Noch kurz für ein paar Minuten durch Intagram scrollen, ein paar YouTube-Videos schauen oder durch eine Dating-App swipen. Bei vielen Menschen kommt die Freizeit während der Arbeitswoche zu kurz, weswegen wir entgegen der Logik bewusst länger wachbleiben als gut für uns ist, um ein wenig freie Zeit „zurückzubekommen“. Dieses psychologische Phänomen hat sogar einen Namen: Revenge Bedtime Procrastination. Wir erklären, was sich hinter diesen drei Worten verbirgt.
Revenge Bedtime Procrastination: Wenn die Freizeit zu kurz kommt
Kennst du das Gefühl, wenn du Abends vor dem Fernseher sitzt und vor dem Schlafengehen noch schnell eine Folge deiner aktuellen Serie einschieben willst? Für Menschen in einem Vollzeitjob ist dies nicht selten die einzige Art von Freizeit, für die unter der Woche Zeit bleibt. Das schlimme ist jedoch, dass es oft nicht bei einer Folge bleibt, denn natürlich will man nach einem anstrengenden Arbeitstag wenigstens noch irgendeine Form von Freizeit genießen können, auch wenn man dafür lange wach bleibt. Dieses psychologische Phänomen nennt sich „Revenge Bedtime Procrastination“.
Der psychologische Hintergrund
Hast du dir schon einmal gedacht: „Ach sei es drum, dann bin ich morgen halt müde!“? Dann hast auch du unbewusst schon Revenge Bedtime Procrastination betrieben. Der Begriff beschreibt die bewusste Entscheidung eines Menschen, die Freizeit über das Schlafbedürfnis zu stellen, erklärt die Psychologin Laura Kilmecki im Interview mit Deutschlandfunk Nova-Reporterin Simone Schlosser.
Es ist eine Trotzreaktion vieler Menschen, die nach einem anstrengenden Tag nicht sofort ins Bett gehen, sondern sich noch ein Bier aufzumachen, eine Serie zu gucken, ein Kapitel zu lesen oder länger mit einer Freund:in zu telefonieren, als es eigentlich ratsam wäre. Dahinter steckt der Gedanke, dass man sich seine Freizeit von der verschobenen Work-Life-Balance „zurückholt“ und das um jeden Preis.
Ursprünglich kommt das Phänomen aus China. Dort herrscht eine Leistungsgesellschaft und die Menschen arbeiten noch viel mehr als hier, was dazu führt, dass an Freizeit nur selten zu denken ist. Doch auch in Europa wird die Revenge Bedtime Procrastination immer präsenter.
Schon gewusst? Während hierzulande das Vollzeitsystem von 40-Arbeitsstunden in der Woche verbreitet ist, gilt in China ein anderes Arbeitsstundensystem. Menschen arbeiten dort ganze 72 Stunden, meist an sechs Tagen die Woche. Das entspricht einer täglichen Arbeitszeit von 12 Stunden.
Die Rache an sich selbst
Besonders problematisch ist der psychologische Ansatz der „Revenge“ (zu deutsch: Rache). Laut der Psychologin versuchen Menschen, sich zu rächen, weil sie gefühlt im Alltag überhaupt keine Kontrolle mehr haben und keine Freizeit mehr bekommen. Doch wer seinen Schlaf für die Freizeit opfert, der rächt sich in erster Linie an sich selbst.
Das lange wach Bleiben fühlt sich in dem Moment gut an, weil du dir deine Freizeit zurückholst, doch so spät Abends sind Menschen gar nicht mehr in der Lage, die Entscheidungen zu treffen, die gut für sie seien, meint Laura Kilmecki. Es ist nämlich erwiesen, dass die Selbstregulation (also die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen) im Laufe eines Tages abnimmt. Deshalb fühlt sich die Revenge Bedtime Procrastination einen kurzen Moment gut an, doch sorgt dafür, dass du am nächsten Morgen nicht nur unausgeschlafen, sondern auch unzufrieden mit dir selbst bist.
Psychologin empfiehlt eine Lösung
Doch warum fällt es vielen Menschen so schwer, der Versuchung durch die Revenge Bedtime Procrastination zu widerstehen? Eine besondere Herausforderung ist laut der Psychologin die momentane Pandemie. Corona mache es uns eher schwer, weil die Freizeit nicht mehr wie normalerweise in den Alltag integriert sei.
Als Lösungsansatz für das Problem empfiehlt Laura Kilmecki, dass du deinen Tagesablauf neu priorisieren solltest. Nimm dir über den Tag verteilt eine halbe Stunde oder eine Stunde nur für dich. Das würde das Bedürfnis nach der Revenge Bedtime Procrastination am Abend abmildern.
Wenn du über einen längeren Zeitraum zu wenig Schlaf bekommst, kann das ungeahnte Folgen haben und sogar richtig gefährlich werden. Wusstest du, dass deine Schlafposition beeinflussen kann, wie gut dein Schlaf ist? Mit bestimmten Positionen kannst du sogar gegen Schlafprobleme ankämpfen.