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Tschernobyl und Fukushima: Warum es schwer ist, Strahlungsschäden zu erkennen

Die Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima, deren Strahlung noch bis heute für gesundheitliche Schäden bei Menschen sorgt, sind für Wissenschaftler:innen besonders interessant. Doch warum ist es überhaupt so schwer, die Auswirkungen zu erkennen?

Messer für Radioaktivität
Zwar lassen sich mit einem Geigerzähler Strahlungswerte in der Umgebung ermitteln

Tschernobyl und Fukushima: Die Strahlung der beiden wohl größten Atomkatastrophen der Menschheitsgeschichte schadet Betroffenen noch generationsübergreifend und Forschende sehen sich regelmäßig mit Rätseln konfrontiert. Falls auch dich die Frage beschäftigt, warum es so schwierig ist, eventuelle Strahlungsschäden bei Menschen festzustellen, können wir dir Antworten liefern.

Tschernobyl und Fukushima: Warum es schwer ist, Strahlungsschäden zu erkennen

Tschernobyl und Fukushima: Warum es schwer ist, Strahlungsschäden zu erkennen

Die Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima, deren Strahlung noch bis heute für gesundheitliche Schäden bei Menschen sorgt, sind für Wissenschaftler:innen besonders interessant. Doch warum ist es überhaupt so schwer, die Auswirkungen zu erkennen?

Tschernobyl und Fukushima: Das geschah bei den Unfällen

Sowohl Tschernobyl als auch Fukushima gelten bis heute als Unglücksstätten, die die Geschichte unserer Spezies für immer prägen und verändern sollten. Doch was ist eigentlich geschehen? Wie konnte es zu den Katastrophen kommen und, noch viel wichtiger, welche Schäden tragen die Unglücksopfer davon und warum ist es eigentlich so schwer, diese zu erkennen? Zurück zum Anfang: Den katastrophalen Unfällen.

Der Reaktorunfall von Tschernobyl ereignete sich am 26. April 1986 in der Ukraine, als eine Explosion und mehrere Brände im Kernkraftwerk riesige radioaktive Mengen an Material freisetzten. Aufgrund der extremen Strahlung des Reaktors, selbst Jahre nach seinem „Erlischen“, wurden mehr als 150.000 Quadratkilometer an Fläche in Weißrussland, Russland und der Ukraine kontaminiert. Dies zwang mehr als 300.000 Menschen zur Flucht, doch damit nicht genug. Durch starke Winde und Witterungen konnten flüchtige Radionuklide wie Iod-131 oder Cäsium-134 über noch weitere Strecken, bis in die europäische Mitte transportiert werden und die hiesigen Menschen einer Belastung aussetzen.

Ähnlich verheerende Auswirkungen auf Mensch und Natur hatte das Reaktorunglück von Fukushima vor gut zehn Jahren. Einem starken Erdbeben an der japanischen Küste folgte zu allem Überfluss ein reißender Tsunami, der ohnehin schon zahlreiche Menschenleben kostete. Dieser sorgte dafür, dass das Kernkraftwerk in Fukushima durch den Druck der Wellen schließlich explodierte. Dabei wurden ebenfalls etliche Mengen des radioaktiven Stoffes Iod-131 freigesetzt, jedoch rund die Hälfte derer, die beim Unfall in Tschernobyl 25 Jahre zuvor den Reaktor ungehindert verließen. Nach der Katastrophe evakuierte man aus Sicherheitsgründen etwa 20 Kilometer der Region rund um das Kraftwerk.

Strahlung mit schweren Folgen

Zwar gibt es etliche und teilweise kontroverse Studien und Forschungsberichte, vor allem hinsichtlich der Katastrophe von Tschernobyl, doch ebenso unterschiedlich sind ihre Ergebnisse, wenn es um die Folgen der Strahlungsschäden beider Atomkatastrophen geht. Klar ist: Von den Menschen, die zum Zeitpunkt des Unglücks im Kraftwerk beschäftigt waren, starben viele bereits in den ersten Monaten an den Akutfolgen. Viele weitere entwickelten akute Strahlenkrankheiten, weswegen sie über Jahre wegen Verbrennungen oder Infektionen behandelt werden mussten, ehe sie in den darauffolgenden Jahren verstarben.

Doch bei der Zahl der Opfer, die mit den gesundheitlichen Langzeitfolgen des Unglücks in Tschernobyl zu kämpfen haben, unterscheiden sich die Studien stark. So gehen manche Wissenschaftler:innen von etwa 7.000 Opfern aus, wohingegen andere wiederum mit Betroffenenzahlen in Millionenhöhe rechnen. Bis 2005 wurden 6.848 Schilddrüsenkrebsfälle bei Menschen aus den betroffenen ukrainischen, russischen oder weißrussischen Regionen diagnostiziert. Interessant dabei ist, dass die Betroffenen zum Unglückszeitpunkt gerade einmal 18 Jahre alt oder jünger gewesen sein müssen, da die Form des Krebs vermehrt im Alter von 40 Jahren auftritt. Mittlerweile wurde die Zahl offiziell vom United Nations Scientific Commitee on the Effects of Atomic Radiation (UNSCEAR) auf über 20.000 Fälle nach oben korrigiert. Mehr als 500.000 Aufräumarbeiter:innen zeigten Symptome für Leukämie oder Augenlinsentrübungen, die bereits bei geringen Strahlendosen ausgelöst werden können. Bislang weitesgehend unerforscht bleiben die Auswirkungen von Strahlung auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Für das Unglück von Fukushima gibt es bislang keine so aussagekräftigen Zahlen. Bei einem ersten Screening zwischen 2011 und 2014 wurden jedoch etwa 300.000 Kinder und Jugendliche durchgecheckt, wobei man sogar 110 bösartige Tumore an den Schilddrüsen der Untersuchten finden konnte. Bis September 2016 stieg diese Zahl auf 176 an, rund sieben Jahre nach dem Reaktorunglück kam es zum ersten Todesfall durch Lungenkrebs eines ehemaligen Kraftwerkmitarbeiters.

Warum es so schwer ist, die Strahlung zu messen

Warum sowohl für Tschernobyl, als auch für Fukushima die Strahlung so schwer zu messen ist, um die Auswirkungen auf den menschlichen Organismus besser untersuchen zu können, ist ebenfalls eine interessante Frage. Zum einen liegt es daran, dass die Studien und Forschungen schwer umsetzbar sind. Bei herkömmlichen experimentellen Studien werden den Versuchspersonen unter kontrollierten Bedingungen den zu untersuchenden Zuständen, beispielsweise Nebenwirkungen eines Medikaments, ausgesetzt. Dies ist bei Forschungen hinsichtlich der Auswirkungen von Strahlung auf den Menschen allein aus ethischen Gründen schwierig bis unmöglich.

Hinzu kommt, dass sich der Zusammenhang einer Strahlenbelastung und einer Krebserkrankung nur durch Statistiken belegen lässt, zum Beispiel dann, wenn die Anzahl der diagnostizierten Fälle wesentlich höher ist als der Durchschnitt der Erkrankungen in der ansässigen Bevölkerung, so wie es beispielsweise in Fukushima nach dem ersten Screening vor wenigen Jahren der Fall war.

Da Forschende nur die Daten zur Verfügung haben, die sie aus epidemiologischen Studien gewinnen konnten, ist es nicht möglich, radioaktive Strahlung tatsächlich als Ursache für eine Krebserkrankung festzumachen. Die Studien sind nicht exakt, da die Wissenschaftler:innen keine einheitlichen Rahmenbedingungen festlegen können. So macht es beispielsweise einen Unterschied, ob der Krebserkrankte Raucher:in war oder besonders viel Alkohol konsumiert hat, was ebenfalls zu einer Erkrankung führen hätte können.

Wie der Unfall von Tschernobyl jetzt sogar zum Schutz vor kosmischer Strahlung beitragen kann, könnte dich ebenfalls interessieren. Und wie entsteht eigentlich ein Tsunami, der an der Küste Fukushimas für das Strahlungsunglück gesorgt hat? Die Antwort darauf liefern wir dir ebenfalls.

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