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Alaskas Wale: Forschende liefern Gründe für ihren Rückgang

Das Verschwinden der Wale in Alaska ist ein Mysterium. Doch es gibt gute Gründe, die es erklären. Forschende klären auf.

Belugawal
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Seit etlichen Jahren gehört es zur Tradition der Menschen von Alaska, Wale zu jagen. Um auch im Winter zu überleben, gehörte ein im Sommer angehäufter Vorrat ihres Fleisches für viele der dort lebenden Inupiaq-Familien dazu. Die Haut der Wale wird nicht nur als Nahrung, sondern auch als Handelsware mit spirituellem Wert geschätzt. Das Verschwinden der weißen Wale zwingt die Menschen zu Alternativen, doch was ist eigentlich der Grund dafür?

Alaskas Wale: Gründe für den Rückgang

Nach etlichen Jahrzehnten schrumpfte die Walpopulation in Alaska immer weiter. Viele der ansässigen Menschen sind in der Zwischenzeit auf den Fang von Bartrobben umgestiegen, auch, weil sie sich nicht anders zu helfen wussten. Über die Jahre hinweg gab es einfach nicht mehr genügend Belugawale, um ihre Gemeinden zu ernähren.

Ihr starker Rückgang ist laut Wired bereits seit den 80er-Jahren zu beobachten, in denen die Belugapopulation von zunächst Tausenden auf Hunderte und später dann gerade einmal ein paar Dutzende geschrumpft ist, die auch heute noch in die südwestlichen Regionen Alaskas gelangen. Zwar seien einige Bestände durchaus gesund, jedoch ging die Anzahl der Tiere in den letzten 50 Jahren in rund einem halben Dutzend der Regionen zurück.

Schon vor Jahrzehnten brachten die Jagd, der kommerzielle Walfang und andere Einflüsse die Wale an den Rand ihrer Existenz. Zwar wurde die Jagd nach den Walen in vielen Orten Alaskas eingestellt, jedoch nehmen andere Belastungen stetig zu. So gelten vor allem der Klimawandel, der zunehmende Schiffsverkehr und chemische Schadstoffe zu den größten Faktoren, die die Wale bedrohen.

Warum unser Wissen über die Wale besonders wichtig sein könnte

Einige Wissenschaftler sind allerdings der Meinung, dass das Wissen, welches wir über die Reaktionen der Wale gesammelt haben, letzten Endes genauso wichtig sein dürfte, wie das Wissen über die Faktoren, die zu ihrem Rückgang führen. Ähnlich wie bei Schimpansen, Vögeln oder gar Menschen geben die Belugawale ihr Wissen und ihre Verhaltensmuster und Bräuche von einer Generation an die nächste weiter.

In Anbetracht des wechselnden Klimas und der menschlichen Aktivitäten, sind die Wale gezwungen, sich auch kulturell zu verändern, da die genetische Anpassung einfach zu langsam ist. Jene kulturellen Verhaltensmuster können allerdings auswendig gelernt werden und genau wie wir Menschen halten Tiere manchmal auch an Traditionen fest, selbst dann, wenn sie moderneren Ansichten widersprechen. So lautet die Schlüsselfrage laut dem Verhaltensökologen Greg O’Corry-Crowe von der Florida Atlantic University, ob die Kultur der Wale überleben wird.

„Wenn der Wandel so seismisch und schnell ist, versucht man, die Innovatoren und Pioniere unter den Sozialkonservativen zu finden“, sagte O’Corry-Crowe. Gleichzeitig stehen indigene Völker vor ihrem eigenen Dilemma. Die Beibehaltung der Jagd auf Belugas könnte die Chancen der Wale auf eine Erholung beeinträchtigen, aber wenn indigene Gruppen diese Praxis aufgeben, könnten sie das Wissen verlieren, das ihnen seit Tausenden von Jahren in der Arktis hilft.

Tiere sammeln Wissen über ganze Generationen

Bereits seit einiger Zeit ist sich sowohl die Wissenschaft als auch die Philosophie sicher, dass Tiere lernen können. Noch in den frühen 2000er-Jahren diskutierten Wissenschaftler die Idee, dass sie ihr Wissen sogar über ganze Generationen hinweg ansammeln und weitergeben. Vor allem das Verhalten von Killerwalen hat diese Vermutung bekräftigt.

So haben sich beispielsweise die vor der Westküste Nordamerikas lebenden Schwertwale in Gemeinschaften mit einzigartigen Lebensweisen und Bräuchen aufgeteilt. Dabei unterscheiden sie sich zum Beispiel in ihren Stimmen, so als wenn Menschen in unterschiedlichen Sprachen sprechen, wie Hal Whitebeard, Biologe an der Dalhousie University erklärt. Die Scharen aus dem südlichen Teil hätten unter anderem eine eigene Begrüßungszeremonie, die bei den Walen aus dem Norden nicht zu beobachten war. Stattdessen rieben diese ihre Körper an den Stränden, vermutlich, um abgestorbene Haut zu entfernen.

Zwar dürften kulturelle Praktiken wie die Begrüßungszeremonie eher weniger mit dem Überleben von Alaskas Walen zu tun haben, jedoch haben andere Techniken, beispielsweise bei der Nahrungssuche, einen nicht unwesentlichen Einfluss. Ein Beispiel dafür findet sich widerum in der Jagdformation der Schwertwale: Wird die Nahrung knapp, rücken erfahrene Weibchen, die ihr Wissen aus vorangegangenen Durststrecken nutzen, an die Spitze, um den jüngeren Walen zu zeigen, wo sie Nahrung finden können. Dies nennt man laut dem Verhaltensökologen der Universität von Exeter, Sam Ellis, auch die „Großmutter-Hypothese“.

Alte Praktiken könnten zu Problemen führen

Kulturelle Anpassungen hätten laut O’Corry-Crowe zwar dazu geführt, dass Weiß- und Schwertwale ihre Überlebenschancen gesteigert haben, jedoch können sie auch problematisch werden. Belugas könnten zum Beispiel lernen, in andere Regionen, die noch kalt genug für ihre Körper sind, zu ziehen. Andernfalls wären sie darauf angewiesen, zu lernen, Wärme effizienter abzuleiten, was sich zu einem Jahrzehnte langen Prozess entwickeln kann. Dieses Wissen muss weitergegeben werden, kann allerdings auch zu einem Problem führen. Alte Praktiken erlauben es den Walen manchmal nicht, sich an neue Umstände anzupassen.

Als Beispiel werden die Weißwale des Hudson Bay im Norden von Kanada angeführt. Mindestens drei Populationen der Belugas wandern jeden Sommer hierhin, während mindestens eine die Ost- und eine andere die Westseite präferiert. Zu welcher Seite es die Wale zieht, sei eine Frage der Familientradition, die bereits von den Müttern der Wale weitergegeben wurde. Grund dafür seien Walfänger, die die östlich ansässige Population bereits vor Jahren überfischt hat, während die westliche Seite ungefährlicher für die Wale war. Mittlerweile rückt die Bedeutung der Kultur von Tieren immer mehr in den Fokus der Naturschützer.

Kulturelle Begebenheiten seien genauso schützenswert wie genetische Merkmale, heißt es hier. Laut O‘Corry-Crowe sei die Aufrechterhaltung der Wissensvielfalt der Tiere genauso wichtig, um ihnen das Meistern neuer Herausforderungen zu erleichtern. Die genetische Vielfalt sollte allerdings genauso aufrechterhalten werden, da sie die Möglichkeiten für die Tiere maximiert, neue physische Merkmale zu entwickeln. Geht eine Gruppe mit spezialisiertem Wissen verloren, könne jenes nicht so schnell ersetzt werden, was einem Verlust der zukünftigen Anpassungsfähigkeit gleichkommt, wie der Forscher erklärt.

Rettet die Wale

Durch verschiedene Maßnahmen versuchen die Forschenden seit Jahren, die Öffentlichkeit auf ihre Seite zu ziehen und Unterstützung für die Wale zu gewinnen. Schon in den 2000er-Jahren gab die Notlage der Wale den Anstoß dafür: Seit 2005 haben indigene Gruppen die Jagd nach den Walen aufgegeben. Dennoch ging ihre Anzahl langsam, aber stetig zurück. Seit 2008 gelten Belugawale im Cook Inlet in Alaska als vom Aussterben bedroht, vor allem durch Lärmbelästigung, chemische Verschmutzung, den Klimawandel und natürlich auch den Rückgang ihrer natürlichen Beute.

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Heutzutage begeben sich nicht nur Wissenschaftler*innen, sondern auch viele Einheimische jedes Jahr auf die Suche nach Walen, um wichtige Daten zu ihrer Population auf lange Sicht zu gewinnen. Jene und die Bemühungen der Öffentlichkeit sollen so zur Erholung der Belugas und anderer Walarten beitragen.

Zu den Maßnahmen zählen Fototermine mit Kindern, Auftritte in den sozialen Medien sowie Live-Streams, lokale Fernsehberichte und mehr. Vor Jahren war die „Liebe zu den Belugas“ noch nicht „so groß wie heute“, erklärt Verena Gill, Fischereibiologin von der National Oceanic and Atmospheric Administration. Diese reiche allerdings nicht aus, um Alaskas Wale zu retten. Laut ihr könnte eine Lücke in der Wissensvermittlung der Wale ebenfalls zu ihrem Verschwinden beitrage.

Nicht alle in Alaska haben Verständnis

Der anhaltende Rückgang der Wale in den Regionen Alaskas führe aber auch dazu, dass einige indigene Völker verärgert reagieren. Sie haben das Gefühl, ihr Opfer, die Jagd nach den Walen aufgegeben zu haben, wäre von anderen nicht erwidert worden. Vor allem, dass in anderen Teilen der Welt und Alaskas noch nach Walen gejagt wird und die Angst, ihr wertvolles Wissen zu verlieren, könnte laut Justin Trenton, Umweltkoordinator des indigenen Dorfes Tyonek und Mitglied des Tebughna-Stammes, der Grund dafür sein.

In anderen Regionen Alaskas stehen die Indigenen vor einem ähnlichen Problem: Stellen sie die Jagd auf Wale ein und geben damit ein Stück ihrer eigenen Kultur und ihres Wissens auf? Eine Lösung könnte ein Kompromiss darstellen, den indigene Mitglieder des Alaska Beluga Whale Committee – eine Gruppe aus Stammesvertretern, Wissenschaftlern, Regierungsbeamten und anderen Gesellschaftsgruppen – ins Leben gerufen haben.

Dieser sieht vor, die Jagd im Frühsommer einzuschränken, wenn die Wale die nahe gelegenen Gewässer am ehesten Aufsuchen. Im Spätsommer, wenn die Weißwale aus gesünderen Beständen vorbeiziehen, wird dafür mehr Nachsicht geboten. Dieser Plan sei zumindest aktuell allerdings noch auf freiwilliger Basis, auch, wenn viele indigene Gruppen in Alaska sich an ihn halten würden.

Quellen: Wired

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