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300 Jahre lang fehlgedeutet? Dieses Naturgesetz wurde womöglich falsch verstanden

Isaac Newton gilt als führender Mathematiker seiner Zeit. Doch könnten wir ein durch ihn formuliertes Naturgesetz lange fehlgedeutet haben.

Isaac Newton hält eine Kugel aus Glas
© Ulia Koltyrina - stock.adobe.com

Was sind Gravitationswellen?

Albert Einstein stellte mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie unser Verständnis von Physik auf den Kopf. Demnach krümmen schwere Objekte im Universum die Raumzeit.

Die Bewegungsgesetze, die Isaac Newton 1687 formulierte, bilden seit jeher eine zentrale Grundlage der Physik. Diese auf Latein niedergeschriebenen Naturgesetze erklären, wie sich Objekte im All bewegen. Neuerdings deutet jedoch eine Erkenntnis von Daniel Hoek, einem Philosophen der Virginia Tech, darauf hin, dass ein Übersetzungsfehler dazu geführt haben könnte, dass wir das erste Gesetz Newtons möglicherweise falsch interpretiert haben.

Naturgesetz neu gedacht

Die traditionelle Interpretation von Newtons erstem Gesetz besagt, dass ein Objekt in Bewegung bleibt oder in Ruhe verharrt, bis eine äußere Kraft darauf einwirkt. Diese Interpretation stammt aus Andrew Mottes englischer Übersetzung von Newtons lateinischen „Principia“ aus dem Jahr 1729. Hoek entdeckte eine mögliche Fehlübersetzung des lateinischen Wortes „quatenus“, die die Bedeutung des Gesetzes wesentlich verändert.

Hoek jedoch entdeckte, dass das lateinische Wort „quatenus“ (bedeutet „insofern“) fälschlicherweise als „es sei denn“ übersetzt wurde. Das verändert das Verständnis von Newtons Absicht. Der Philosoph argumentiert, dass Newtons Naturgesetz impliziert, dass jede Veränderung im Impuls eines Objekts das Ergebnis äußerer Kräfte ist. Diese Erkenntnis stellt die langjährige Ansicht in Frage, dass Newtons Gesetz auf Objekte in einem theoretischen Zustand frei von äußeren Einflüssen angewendet wurde.

„Indem sie dieses eine vergessene Wort [insofern] wieder einsetzten, haben [diese Wissenschaftler] eines der grundlegenden Prinzipien der Physik in seiner ursprünglichen Pracht wiederhergestellt“, erklärt Hoek in einem Blogbeitrag, in dem er seine Ergebnisse beschreibt. Sie veröffentlichte er bereits 2022 im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit in der Fachzeitschrift Philosophy of Science.

Für- und Widerspruch

Trotz der Wichtigkeit dieser Korrektur hat Hoeks Interpretation Schwierigkeiten, allgemeine Akzeptanz in der wissenschaftlichen Gemeinschaft zu finden. Einige Gelehrte finden die überarbeitete Lesart unkonventionell, während andere glauben, sie sei so offensichtlich, dass sie kaum einer Diskussion bedarf. Hoeks Neuinterpretation verändert nicht die Grundlagen der Physik, bietet aber ein tieferes Verständnis von Newtons Gedanken.

George Smith, ein Experte für Newton, unterstützt Hoeks Interpretation. Er schlägt vor, dass Newtons Naturgesetz dazu gedacht ist, die Existenz von Kräften zu erschließen, eine Idee, die durch Newtons eigene Beispiele, wie ein sich verlangsamender Kreisel aufgrund der Luftreibung, veranschaulicht wird. Dieses Beispiel zeigt, wie das erste Gesetz auf reale Situationen angewendet wird, in denen immer äußere Kräfte wirken.

Hoeks Arbeit hebt die Bedeutung historischer Genauigkeit für das Verständnis wissenschaftlicher Prinzipien hervor. Sie bekräftigt, dass die Gesetze, die himmlische Körper regieren, dieselben sind wie die auf der Erde, und verbindet unsere alltäglichen Erfahrungen mit den breiteren Dynamiken des Universums.

Quellen: „The Mathematical Principles of Natural Philosophy“ (1729); „Philosophiæ naturalis principia mathematica“ (1686); Institute of Art and Ideas; „Forced Changes Only: A New Take on the Law of Inertia“ (Philosophy of Science, 2022); Scientific American

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