Forschende des Zayed National Museum haben mit einer speziellen Bildgebungstechnik, der multispektralen Bildgebung, auf einer Seite des Blauen Korans versteckten Text unter einer Schicht Goldfolie entdeckt. Dabei kamen Verse aus der Sure al-Nisa zum Vorschein, die Themen wie die Rechte von Frauen, Erbschaftsregeln, die Fürsorge für Waisenkinder und Gerechtigkeit behandelt. Diese Entdeckung in dem bedeutenden archäologischen Fund zeigt, wie moderne Technik dabei helfen kann, verborgene Details in alten Manuskripten sichtbar zu machen. Die neuen Erkenntnisse wurden im November 2024 vom Zayed National Museum veröffentlicht.
Archäologischer Fund neu untersucht
Der Blaue Koran stammt aus dem achten oder neunten Jahrhundert und ist für seine auffällig indigoblauen Seiten, goldene kufische Schrift und silberne Verzierungen bekannt. Die prächtige Gestaltung erinnert an die aufwendig gefärbten und verzierten Manuskripte des Byzantinischen Reiches. Allerdings wurde die kufische Schrift stark angepasst, damit alle Zeilen gleich lang sind, was das Lesen erschwert.
Besonders bemerkenswert ist, dass Forschende nun feststellen konnten, dass Fehler in der Schrift durch kunstvolle Gold-Ornamente überdeckt wurden – vermutlich, um kostbares Material zu sparen. In dem nun entdeckten Fall verdeckt die Goldfolie einen Kalligrafiefehler, der durch multispektrale Bildgebung erstmals sichtbar gemacht werden konnte. Anstatt eine neue Seite zu beginnen, wurde der Fehler mit filigranen Ornamenten kaschiert – ein in islamischen Manuskripten dieser Zeit äußerst selten dokumentiertes Verfahren. Diese Entdeckung unterstreicht die praktische Anwendung der modernen Bildgebungstechnik nicht nur zur Restaurierung, sondern auch zur Texterkennung in historischen Artefakten.
Da indigoblau gefärbtes Pergament besonders teuer war, galt es als unwirtschaftlich, bei einem Fehler eine Seite zu verwerfen. Die Verwendung von indigogefärbtem Pergament – anstelle des üblicheren Papiers – war extrem aufwendig und unterstreicht die Exklusivität des Blauen Korans. Dieser Aspekt macht das Manuskript nicht nur kunsthistorisch, sondern auch wirtschafts- und materialtechnisch außergewöhnlich.
Von den ursprünglich 600 Seiten des archäologischen Fundes sind heute nur noch rund 100 erhalten. Sie befinden sich in Sammlungen von Museen oder Privatpersonen weltweit. Fünf dieser Seiten werden im Zayed National Museum ausgestellt. Seit ihrer Entdeckung Anfang des 20. Jahrhunderts haben sie Forschende fasziniert und wurden ab den 1970er-Jahren durch internationale Ausstellungen noch bekannter.
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„Nur ein Exemplar“
Die genaue Herkunft des Blauen Korans ist nach wie vor unklar. Einige Fachleute vermuten, dass er im Iran oder in Tunesien entstand, andere denken an Spanien, Sizilien oder den Irak. Die Gestaltung des archäologischen Fundes und die verwendeten Materialien zeigen, wie vielfältig der kulturelle Austausch in der islamischen Welt des Mittelalters war.
Die Ausstellung Through Connections im Zayed National Museum, in der die entdeckte Seite präsentiert wird, widmet sich genau diesem transkulturellen Austausch und der Verbreitung des Islams.
„Es wird angenommen, dass nur ein Exemplar des Blauen Korans existiert, und die etwa 100 bekannten Seiten faszinieren die Gelehrten seit vielen Jahrzehnten“, betonte die Kuratorin Nurul Iman Bint Rusli in einer Pressemitteilung. „Die fortschrittliche Technologie, die eingesetzt wird, um diese Seite des Manuskripts in ein neues Licht zu rücken, trägt dazu bei, zusätzliche Erkenntnisse über die Herstellung dieses seltenen Exemplars des Korans zu gewinnen. Es ist eine Ehre, im Zayed-Nationalmuseum an dieser wichtigen Forschung zu einem der weltweit bedeutendsten Manuskripte mitzuwirken.“
Im Zayed National Museum ist die Seite Teil der Ausstellung Through Connections, die den kulturellen Austausch und die Verbreitung des Islams thematisiert.
Quelle: Zayed National Museum
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