Leidet der Körper an einer Erkältung oder Grippe, sind infektiöse Viren oder Bakterien die Ursache des Übels. Jedoch ist unser Immunsystem in der Lage die Erreger nach einigen Tagen abzutöten. Dann sind sie auch wieder aus unserem System verschwunden. Forschende staunten daher nicht schlecht als sie uralte Virenreste in der menschlichen Erbsubstanz entdecken. Aber wie konnten sich die Erreger in unserer DNA einnisten und was tun sie dort? Diese humanen, endogenen Retroviren (HERV) sind teilweise tausende von Jahren alt – und immer noch aktiv.
Viren machen 10 Prozent unserer DNA aus
Der Wissenschaftsgemeinde ist bereits bekannt, dass acht Prozent unseres Erbguts aus Viren besteht. Dass diese irgendwelche Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben müssen, ist eine weit verbreitete Annahme. Bislang ist allerdings unklar, ob es sich um einen positiven oder negativen Effekt handelt.
Das Forschungsteam um den Genetiker Aidan Burn hat sich daher zur Aufgabe gmacht, diesen Umstand genauer zu untersuchen. Dabei wollten sie erst einmal herausfinden, wann und wo die Viren in unserem Körper mit unserer DNA interagieren. Zu diesem Zweck haben sie das Erbgut von 1.000 Proband*innen in einer Studie aus dem Oktober 2022 untersucht. Im Zuge dieses Experiments entnahm man 54 Gewebearten an den unterschiedlichsten Körperstellen.
HERVs seit 35 Millionen Jahren in menschlicher DNA
Die Ergebnisse: Die ältesten HERVs müssen bereits vor 35 Millionen Jahren Teil des inzwischen menschlichen Genoms geworden sein. Die Übernahme von Viren in die DNA scheint jedoch nicht allzu rasch zu erfolgen. Die jüngsten Vertreter in dem Erbgut der Proband*innen waren ebenfalls bereits 200.000 Jahre alt.
Durch die Studie kam ans Licht, dass all diese uralten Viren im gesamten menschlichen Körper aktiv sind. Ein wahrlich merkwürdiger Fund war jedoch folgendes: Selbst mit besonders schädlichen Viren bzw. Virenresten waren einige der Proband*innen dennoch gesund.
HERVS alleine bestimmen die Krankheit nicht
Durch die Existenz von Virenresten der Familie HERV-K in gesundem Gewebe – diese Form wird mit bösartigen Tumoren, insbesondere in den männlichen Hoden, assoziiert – schlussfolgern Burn und sein Team folgendes:
„Die Präsenz von HML-2-Transkripten und teilweise auch viralen Genen kann demnach als normaler Teil unseres Proteoms und Transkriptoms angesehen werden – auch in gesundem Gewebe.“
Aidan Burn via scinexx
Ob diese uns irgendwann krank machen, hinge mit anderen Faktoren wie dem Alter, dem Geschlecht und auch dem Umfang des antiken Virenrests zusammen. Unsere DNA hat die HERVs auch stetig „im Blick“ und legt besonderes Augenmerk auf die älteren Exemplare, erklärt scinexx.
Uralt-Erreger: Gut oder schlecht?
Für dieses Verhalten gibt es zwei Annahmen: Entweder haben die Uralt-Viren eine Schutzfunktion, also positive Auswirkungen auf uns. Oder eine „Kontrolle“ ihrer Aktivitäten durch unser Erbgut ist besonders wichtig, da diese schon so lange in unserem Körper schlummern, sodass sie mit Leichtigkeit „Schlupflöcher“ finden und uns krank machen können. „Die Rolle der HERVs in der menschlichen Biologie ist noch immer ein Rätsel“, gibt Burn daher zu. Weitere Forschungen stehen demnach an.
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Quelle: „Widespread expression of the ancient HERV-K (HML-2) provirus group in normal human tissues“ (PLOS, 18. Oktober 2022), scinexx
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